LEBEN DES MlCl-IEL
ANGELO
BUONARROTI.
man alles Das dargestellt sieht, was die Natur aus einem mensch-
lichen Körper machen kann.
LIV. Endlich, nachdem Papst Paul eine Capelle' erbaut
hatte auf demselbigen Stockwerk, wo die schon genannte des
Sixtus sich befindet, wollte er sie zum Andenken dieses Mannes
durch ihn arusschmucken und liess ihn zwei Bilder auf die Seiten-
wände malen, auf dem einen derselben ist die Kreuzigung von
Sanct Peter vorgestellt, auf dem andern die Geschichte des heil.
Paulus, wie er durch die Erscheinung Jesu Christi war bekehrt
worden, alle beide erstaunenswerth, sowohl im Allgemeinen und
Ganzen, als auch insbesondere in jeder einzelnen Figur. Und
das ist das letzte Werk, das man bis zum heutigen Tage von
ihm in der Malerei gesehen- hat, welches er beendigte, als er
75 Jahre alt war. Jetzt hat er eine Arbeit in Marmor unter den
Händen, die er zu seinem Vergnügen macht, als Einer, der, voll
von Erfindungen, alle Tage mit irgend einer heraus muss. Es
ist das eine Gruppe von vier Figuren, mehr als lebensgross,
nämlich ein vom Kreuze genommener Christus, der als Todter
von seiner Mutter gestützt wird, welche man sich jenem
Körper mit der Brust, mit den Armen und mit dem Knie
Llnterschmiegen sieht in Wunderbarer Geberde, wobei ihr aber
von oben Nikodemus behilflich ist, der, stramm und fest auf
den Beinen, ihn unter den Armen aufhebt, mannhafte Kraft be-
zeigend, und eine der Marien zur linken Seite, welche, obwohl
sie sich sehr schmerzhaft bezeigt, nichtsdestoweniger nicht er-
mangelt, jenen Dienst zu thun, den die Mutter vor äusserstem
Schmerz nicht leistenkann. Der Christusf sich selbst ÜbCFlklSSCFI,
"Miracolo d'Arte". Leider wiederholen sich auch solche Wunder nicht.
Die ersten kritischen Benaerkungen ("iber das jüngste Gericht sind in L. Dolcds
„.Aretin0"zu Gilden, eine Frühe blnviihnung bei Biondo (Quellenschr. V. p. 38).
1 Die nach dem Erbauer Paul lll. genannte Paolinfsche-(lapelle wurde
nach den Angaben des Antonio da San Galle im Jahre 154.1 ausgeführt. Die
Nelchwelt spendet diesen Gemäilcien Michcl Angelds die grosse zänerkennung
nicht, die ihnen Condivi zollt.
2 Diese Krcuzabnahme Michcl Angckfs bulindct sich hinter dcm Haupt-
altarc des Domes in Florenz, an dar Stcllc, wo einmal Adam und Eva von
Baccil) Bandinclli aufgestellt war. MiClICl Angelo" alrbcitctc diese Gruppe 1550,
Blais de Vigenäre schreibt in sbincr Anmerkung zu Philostrafs "Las Images",
Paris 1594: „L'an 1550, que Yestois E1 Rome, Michel Angele commenga un