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MICHEL ANGELO BUONARROTI.
LEBEN DES
andere gibt mit dem geöffneten Buche in der Hand, in welchem
einleglicher lesend und das vergangene Leben crkenncnd, gleichsam
aus sich selber _über sich zu richten hat. Auf den Schall dieser
Trompeten sieht man auf der Erde sich die Gräber öffnen und
das menschliche Geschlecht heraussteigen mit verschiedenen und
wunderbaren Geberden, währenddcm Einige, nach der Weis-
sagung des Ezechiel, nur ihre Gebeine vereinigt haben, sind
Andere halb mit Fleisch bekleidet, Andere ganz. Der Eine nackt,
der Andere mit den Leintüchern oder Bettlaken bekleidet, in
welche gehüllt er zu Grabe getragen worden, und aus denen
er herauszuwickeln sich bestrebt. Unter diesen gibt es Einige,
die noch nicht völlig erwacht zu sein scheinen und, indem sie
zum Himmel aufblicken, gleichsam ungewiss sind, wohin die
göttliche Gerechtigkeit sie rufe. Da ist es ein ergötzlich" Ding,
zu sehen, wie Einige mit Mühe und Anstrengung aus der Erde
heraussteigen, und Andere mit ausgestreckten Armen den Flug
zum Himmel nehmen, Andere ihn schon genommen haben, in
die Lüfte erhoben, der Eine mehr, der Andere weniger, in ver-
schiedenen Geberden und Weisen. Ueber den Engeln mit den
Trompeten ist der Sohn Gottes in Majestät, den Arm und die
mächtige Rechte erhoben, in der Weise eines Mannes, der erzürnt
die Schuldigen verilucht und sie von seinem Angesichte in das
ewige Feuer verjagt, und mit der nach der rechten Seite ge-
streckten Linken scheint er liebevoll die Guten zu versammeln.
Auf seinen Richtersprtich sieht man die Engel zwischen Himmel
und Erde, gleichsam als Vollzieher des göttlichen Spruches, auf
der Rechten den Auserwählten zu Hilfe eilen, denen der Flug
von den bösen Geistern gehindert wird, und auf der Linken
die Verdammten zur Erde zurückdrängen, die sich durch ihre
Verwegenheit schon emporgehoben hatten, welche Verdammten
jedoch von den bösen Geistern herabgezogen werden, die Hoch-
müthigei] bei den Haaren, die Wollüstigen bei den Schamtheilen,
und so fort jeder Lasterhafte bei dem Gliede, durch das er
gesündigt hatte. Unterhalb dieser Vertiammten sieht man den
Charon mit seinem Nachen, so wie ihn Dantel in seiner Hölle
1 Die Stellen im
Inferno, cant. 3, v. 82-
Danlc, auf welche
430, cant. 5, v. 4-
hier
-1 2.
Condivi
hindeutet,