LEBEN DES MICHEL
ANGELO BUONÄRROTI.
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und Weisen, unter dem rechten Arm die Gesetzestafeln haltend
und mit der Linken sich das Kinn stützend, wie ein müder und
sorgenvoller Mann, zwischen den Fingern welcher Hand einige
lange Bartbüschel hervorkommen, was gar schön anzuschauen
ist. Das Gesicht ist voll Leben und Geist und dazu angethan,
Zugleich Liebe und Schrecken einzuflössen, wie es mit dem
Wirklichen gewesen sein mag. Er hat, so wie er pflegt beschrieben
zu werden, die beiden Hörner über dem Kopfe, nicht Weit
über dem höchsten Punkt der Stirne. Er ist bekleidet und
beschuht und mit nackten Armen und jegliches andere Ding
nach antiker Weise. Ein Wunderbares Werk und voller Kunst,
am meisten aber, weil unter so schönen Gewändern, womit er
bedeckt ist, alles Nackte hervorscheint, so dass die Kleidung
den Anblick der Schönheit des Körpers nicht hindert, was man
jedoch von ihm überall beobachtet sieht, in allen bekleideten
Figuren, bei der Malerei und der Sculpttir. Diese Statue ist von
mehr als doppelter Lebensgrösse. Rechts von derselben, unter
einer Nische, ist die andere, welche das beschauliche Leben vor-
stellt, eine Frau von mehr als natürlichem Wuchse, aber von
seltener Schönheit, mit gebogenem Knie, nicht auf der Erde,
sondern auf einem Sockel stehend, mit dem Gesichte und
mit beiden Händen zum Himmel gekehrt, so dass es scheint,
dass sie in jedem ihrer Theile Liebe zithme. Auf der andern
Seite, das ist links vom Moses, ist das thätige Leben, mit einem
Spiegel in der rechten Hand, in welchem sie sich aufmerksam
betrachtet, wodurch tingezeigt wird, dass unsere Handlungen in
Eiberlegter Weise gethan werden sollen, und in der linken mit
einem Blumenkranze. Worin Michel Angelo dem Dante gefolgt
ist, den er immer sehr studirt hat, welcher in seinem Fegefeuer
angibt, er habe die Gräfin Mathilde, "die er für das thätige Leben
nimmt, in einer Blumenwiese getroffen. Das Ganze des Grabmales
ist ciurchwegs schön und hauptsächlich die Verbindung der
Theile untereinander vermittels des Gesimses, so dass man
nichts hinzuthun kann.
LIl. Dies nun mag genug sein hinsichtlich dieses Werkes,
ja ich glaube fast, dass es schon zu viel gewesen sei und anstatt
des Vergnügens dem, der es gelesen, Langeweile gemacht habe.
Nichtsdestoweniger hat es mir doch nothwendig geschienen, um