LEBEN
MICHEI
ANGEI
BUO NARROTI.
erfahren und in allen andern Dingen sehr verständig sei. Der
Herzog emphng den Michel Angelo' mit dem freundlichsten
Gesicht, sowohl wegen der Grösse des Mannes, als auch weil
Don Herkules, sein Sohn, heute der Herzog jenes Staates,
Hauptmann der Signorie von Florenz War, und in Person mit
ihm reitend, gab es kein Ding, das dazu nöthig war, das er ihm
nicht zeigte, ebensosehr die Bastionen, wie die Artillerie, sogar
ötlnete er ihm seine Garderobe und zeigte ihm Alles eigenhändig,
besonders einige Werke der Malerei und die Bilder seiner Alt-
viiter, von Meisterhand und vortrefflich, so wie es die Zeit gab,
in der sie gemacht worden. Als aber Michel Angelo abreisen
sollte, sagte ihm der Herzog scherzhaft: „Michel Angele, Ihr
seid mein Gefangener. Wenn Ihr wollt, dass ich Euch frei lasse,
so verlange ich, dass Ihr mir versprechet, mir etwas von Euerer
Hand zu machen, Was Euch zusagt und was es auch sei,
Sculptur oder Malerei." Michel Angelo versprach es, und nach
Florenz zurückgekehrt, obwohl er mit der Ausrüstung des Landes
sehr beschäftigt war, so begann er doch ein grosses Statfeleibild,
das die Begattung des Schw-anes mit der Leda vorstellte und
daneben die Geburt der Eier, aus denen Castor und Pollux
entstanden, wie man dies in den Fabeln der Alten geschrieben
liest. Wie der Herzog das erfuhr, und als er hörte, dass das
Haus Medici in Florenz eingezogen wäre, fürchtete er in diesen
Unruhen einen solchen Schatz zu verlieren und schickte sofort
einen der Seinigen hin, Welcher, als er in das Haus des Michel
Angelo gekommen War und das Bild gesehen hatte, sagte: "Oh!
l Michel Angelo ging am 29. September 152g nach Ferrara, um die
Fortificationen, Artillerie und Munition des mit Florenz verbündeten Herzogs
Alfonso_l. von Ferrara zu inspiciren. Alfonso I. (1505-1534) hatte aus der
Ehe mit Lucrezia Borgia (gest. 1519) einen Sohn Ercole ll. (1534-1559),
der mit der Renee von Valois vermählt war.
Die Leda, welche Michel Angele für den Herzog Alfonso a tempera
malte, kam durch Franz l. nach Frankreich und blieb in Fontainebleau bis
zur Zeit Louis XIIL, in der sie der Staatsminister Desnoyers npar principe
de conscience", wie sich Mariette ausdrückt, zerstören wollte. Das Bild wurde
aber versteckt und gerettet. Mariette sah es und erklärte, er habe nichts so
gut Gemaltes von Michel Angelo gesehen. Er meint, dass die Bekanntschaft
mit den Werken Tizialfs in Ferrara auf die Malweise Michel Angelds in
diesetn Bilde Einßuss genommen habe. Gegenwärtig ist das Bild verschollen.