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LEBEN DES MICHEL
ANGELO BUONARROTI.
dass der Papst fast sich erzürnte. Da er aber dessen Eigensinn
sah, ging er daran, das Werk zu machen, das heute im Palaste
des Papstes zur Bewunderung und zum Erstaunen der Welt zu
sehen ist; was ihm einen solchen Namen verschaffte, dass er
ihn über jeglichen Neid erhob. Von diesem Werke werde ich
eine kurze Nachricht geben.
XXXIV. Es ist das Gewölbe' seiner Gestalt nach, wie man
es gewöhnlich nennt, ein Spiegelgewölbe, und zu seinen Stützen
hat es Lünetteil, deren es in der Länge sechs gibt und in der
Breite zwei, so dass das Ganze zwei und ein halbes Geviert
macht. Auf dasselbe hat Michel Angelo hauptsächlich die
Schöpfung der Welt gemalt, dann aber darauf fast das ganze
alte Testament umfasst, und dieses Werk ist in solcher Weise
eingetheilt: angefangen von den Sockelgesimsen, worauf die
Winkel der Lünetten sich stützen, bis fast zu einem Drittel des
Bogens des" Gewölbes denkt er sich gleichsam eine Hache Wand,
auf die er bis zu dieser Grenze einige Pilaster und Säulensockel
scheinbar aus Marmor aufreisst, die nach Aussen hervor-ragen über
eine Fläche in Art einer Balustrade, mit ihren Consolen darunter
und anderen kleinen Pilastern über derselben Fläche, wo die
Propheten und Sybillen zu sitzen kommen, welche erste Pilaster,
ausgehend von dem Bogen der Lünetten, die Sockel in die Mitte
nehmen; wobei sie aber von dem Bogen der Lünetten einen
grösseren Theil frei lassen, als derjenige Raum ist, der inner-
halb derselben eingeschlossen ist. Auf den Säulensockeln sind
einige kleine Kinder vorgestellt, nackt, in verschiedenen Geberden,
die in der Art von Termini ein Gesims tragen, das ringsum das
ganze Werk umgibt, inmitten des Gewölbes vom Kopf zum
Fuss gleichsam einen offenen Himmel lassend. Diese Oeffnung
ist eingetheilt in neun Streifen, indem von dem Gesimse über
den Pilastern einige Gesimsbögen ausgehen, die über die äusserste
Höhe des Gewölbes hinweg ziehen und das Gesims der entgegen-
1 In diesem Capitel gibt Condivi eine Beschreibung der Decke den
Sixtinischen Capelle, die an Deutlichkeit Vieles zu wünschen übrig lässt. Am
meisten verständlich wird sie, wenn der Leser einen Kupferstich derselben
zur Hand nimmt. Vasari beschreibt sie gleichfalls mit einigen Abweichungen,
Ueber einige unrichtige Erklärungen in Condivfs Beschreibung haben sich
Bunsen und Flatner (a. a. O. pag. 259-273) ausgesprochen.