Volltext: Das Leben des Michelangelo Buonarroti

LEBEN DES MICHEL ANGELO 
äUONARROTI. 
und von ihm ersucht worden war, er möge ihm den Sohn als 
den seinigen abtreten, konnte er es ihm nicht abschlagen: „lm 
Gegentheil," fügte er hinzu, "nicht bloss MichelAngelo, wir andern 
Alle stehen mit unserem Leben und Vermögen Euerer Erlaucht 
zu Diensten." Und vom Erlauchten befragt, was sein Beruf wäre, 
antwortete er ihm: „lch habe niemals ein Handwerk getrieben, 
sondern bis jezt immer nur von meinem kleinen Einkommen gelebt, 
indem ich die wenigen Besitzungen verwaltete, die mir von meinen 
Vorfahren hinterlassen worden Waren, so dass ich sie nicht 
nur zu erhalten, sondern auch zu vermehren suche, so weit es 
durch meinen Fleiss geschehen kann." Der Erlauchte darauf: 
"Gut," sagte er, „seht Euch um, ob es in Florenz nichts gibt, 
was Euch zuträglich wäre und zählt dabei auf mich, denn ich 
will Euch eine Gunst erweisen, so gross als ich sie vermag." 
Und nachdem er den Alten entlassen, liess er dem Michel Angelo 
ein hübsches Zimmer im Hause anweisen und verschaffte ihm 
alle Bequemlichkeiten, welche dieser wünschte, so dass er ihn, 
wie in allem Andern, so auch an seiner Tafel, nicht anders be- 
handelte als Wie seinen Sohn, an welcher, wie es bei einem 
solchen Mann geht, alle Tage die vornehmsten und ansehnlichsten 
Personen zu sitzen pHegten. Und weil es daselbst Gebrauch war, 
dass Jene, die von Anfang an gegenwärtig waren, ein jeder nach 
seinem Range sich neben den Erlauchten setzte und sich nicht 
von der Stelle rührte, wer auch immer später kommen mochte, 
so geschah es gar oft, dass Michel Angelo höher sass, als die 
Söhne des Lorenzo und andere bedeutende Personen, von denen 
ein solches Haus beständig erfüllt und gleichsam in Blüthe War, 
von denen allen Michel Angelo sehr liebkost und zur seinem 
ehrenvollen Berufe angeeifert wurde; über Alle aber vom Er- 
lauchten, der ihn oftmals im Tage rufen liess, ihm seine Edel- 
steine, Harnische, Medaillen und ähnliche Dinge von hohem 
Werthe zu zeigen, als Einem, dessen Geist und Urtheil er wohl 
kannte. 
IX. Es War Michel Angelo, als er in das Haus des Er- 
lauchten kam, im Alter zwischen 15 und 16 Jahren, und er 
blieb daselbst bis zu dessen Tode, welcher im Jahre 92 statt- 
fand, ungefähr nach zwei Jahren. In selbiger Zeit, als eine 
Stelle beim Zollamt offen wurde, die keiner erhalten konnte,
	        
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