LEBEN
)ES MICHEL
ANGELO
BUONARROTI.
Medici' in San Marco geführt wurde, Welchen Garten der erlauchte
Lorenzo, der Vater des Papstes Leo, ein in allen Vortrefflichkeiten
ausgezeichneter Mann, mit verschiedenen antiken Statuen und Fi-
guren ausgeschmückt hatte. Nachdem Michel Angelo dieselbigen
gesehen und die Schönheit der Arbeit kennen gelernt hatte, ging
er dann weder in die Werkstatt des Dominico noch anderswohin,
sondern den ganzen Tag blieb er hier, als in der besten Schule
für derlei Bestrebungen und arbeitete alleweil irgend etwas. Als
er eines Tages unter Anderem den Kopf eines Fauns 2 betrachtete,
bereits alt von Ansehen, mit langem Bart und lachendeln Gesicht,
obgleich man den Mund kaum erblickte, sei's des Alters wegen
oder damit man erkenne, wer es sei, und da er ihm über die
Massen gefiel, nahm er sich vor, ihn in Marmor nachzubilden. Und
da der erlauchte Lorenzo damals in jenem Orte die Marmorblöcke,
oder vielmehr die schon zugehauenen Steine bearbeiten liess, um
jene herrliche Bibliothek zu verzieren, welche er und seine Vorfah-
ren aus der ganzen Welt zusammen-gebracht hatten (welcher Bau
wegen des Todes des Lorenzo und anderer Zufälle vernachlässigt,
nach vielen Jahren von Papst Clemens wieder aufgenommen, aber
gleichfalls unvollendet gelassen wurde, so dass die Bücher noch
jetzt in den Kisten liegen), als, sage ich, diese Marmorblöcke bearbeitet
1 Der Garten der Mediceer lag in der Nähe des Marcusplatzes (via
Larga, 6069). In demselben vereinigte Lorenzo Magnifico die Alterthümer,
welche er sammelte, und setzte einen Schüler des Denatello, Bertoldo, als
Custos ein. Die Sammlung blieb daselbst erhalten bis 1494. Nach der Ver-
bannung des Piero Medici wurde sie verkauft; im Jahre i512 kam aberder
grösste Theil derselben wieder an die Mediceer zurück. (S. Vasari im Leben
des Torrigiani. Vll. p. 204.) Diese alten Besitzthümer der Mcdiceer sind jetzt
meist in den öHentlichen Sammlungen von Florenz. Zu den Zeiten des
Lorenzo war das sogenannte Casino Mediceo ein einfaches Casino mit einem
grossen Garten; erst unter Grosshcrzog Franz I. erhielt es durch Bernardo
Buontalenti und später durch G. SilvaniAeine ganz veränderte Form.
2 Mariette, der diesen Faunkopf in den Sammlungen des Grosshcrzogs
in Florenz sah, macht in seinen „Observa_tions sur 1a vie de Michel Angelo
ecritc par le Condivi" (Ausgabe von Condivi, Pisa 1823, p. 178) die richtige
Bemerkung, dass dieser Kopf seiner technischen Behandlung nach nicht wie
die Arbeit eines Knaben, sondern die eines Mannes aussieht. Auch zeige
derselbe, dass Michel Angclo durch die Antike zur Sculptur geführt wurde.
Abgebildet in der Ausgabe des Conclivi von 1746, p. VI, befindet er sich
gegenwärtig in der Sammlung der Uffizien.