Volltext: Das Leben des Michelangelo Buonarroti

LEBEN DES MICH] 
AN GELO 
BUONA RROTI. 
ähnliche Dinge gemalt waren, es ihm nicht leihen wollte. 
Und in der That stand er im Rufe, etwas neidisch zu sein; 
weil er nicht nur gegen Michel Angelo sich wenig höflich 
betrug, sondern auch gegen den eigenen Bruder, den er, als er 
ihn vorwärts kommen und grosse Hoffnungen erwecken sah, 
nach Frankreich schickte, nicht sowohl um demselbigen zu 
nützen, wie Einige sagten, sondern um in Florenz selber der 
Erste in seiner Kunst zu bleiben. Davon habe ich Erwähnung 
thun wollen, weil mir gesagt wurde, dass der Sohn des Dominico 
die Vortrefflichkeit und Göttlichkeit des Michel Angelo zum 
grossen Theil der Unterweisung des Vaters zuzuschreiben pHegt, 
da dieser ihm doch keinerleid-lilfe geleistet, obgleich Michel 
_Angelo sich darüber nicht beklagt, im Gegentheil, den Dominico 
lobt, sowohl der Kunst als den Sitten lltlCll. Aber dies mag eine 
kleine Abschweifuilg sein; kehren wir zurück zu unserer Geschichte. 
VI. Nicht geringere Verwunderung verursachte zu der- 
selben Zeit ein anderes Werk von ihm, wobei es einigen Spass 
absetzte. Als man ihm einen Kopf gegeben hatte, damit er ihn 
abzeichne, bildete er ihn so genau nach, dass, als er dem Besitzer 
die Nachzeichnung statt des Vorbildes zurückgegeben hatte, der 
Betrug von demselben nicht früher erkannt wurde, als bis er ihm 
entdeckt wurde, dadurch, dass der Knabe mit einem Gespielen da- 
von sprach und darüber lachte. Viele wollten die Vergleichung 
machen, fanden aber keinen Unterschied, weil Michel Angelo 
ausser der Vortreiilichkeit der Zeichnung ihr durch Rauch den 
Schein desselben Alters gab, den die Vorlage hatte. Dies ver- 
schaffte ihm eine grosse Reputation. 
Vll. Wie nun der Knabe so bald dies bald jenes zeichnete, 
ohne einen bestimmten Ort noch Werkstatt zu haben", geschah 
es, dass er eines Tages vom Granacci' nach dem Garten der 
' Frnncesco Granacci wird vom Vasari mit Torrigiani, Rustici Soggi, 
Lor. di Credi, Bugiartlini unter denjenigen Florentinern erwähnt, die, wie 
Michel Angele, im Garten der Mediccer ihre Studien nmchten. Geb. 146g, 
war er nur sechs Jahre älter, als Michel Angelo. Dieser rief ihn nach Rom, 
um bei Ausführung der Fresken an der Decke der Sixtina mitzuhclfen. Michel 
Angelo aber, Linzufriedcn mit seiner Leistung, entschloss sich, die Fresken 
allein zu vollenden. Granacci kehrte wieder nach Florenz zurück, blieb aber 
mit Michel Angele immer in guten Beziehungen. Er starb 1544.
	        
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