LEICHENREDE DES B.
VARCHI.
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die man heute in der Capelle der Madonna delle Febbre be-
wundert. Es sind dies zwei Bilder, das eine lebend (obwohl
voll Trauer), das andere todt, und hat das eine in sich das
Leben, das andere den Tod, wie Jeglicher sehen kann. Man
glaubt die wahrhafte Jungfrau Maria und den wirklichen Christus
in Fleisch und Bein zu schauen, oder wenigstens ihre Bild-
nisse, nicht aus Marmor von sterblicher Hand gemacht, sondern
auf göttliche Weise vom Paradiese herabgestiegen. Dennoch hat
man nach allgemeiner Ansicht des Urtheil gefällt, dass Michel
Angelo mit diesem Werke allein allen Bildhauern, sowohl antiken
als modernen, vorausgeschritten sei, ebenso den Lateinern wie
den Griechen, und vor Allen die höchste Palme davongetragen
habe. Darum hat Alessandro Allori,l der jung an Jahren aber
alt ist an Klugheit, und noch mehr, ein sehr würdiger Schüler
seines mehr als grössten Meisters, nicht minder mehr als geist-
reich auf diese Leinwand, welche sich über meinem Haupte be-
findet, darauf er in vorzüglicher Weise (wie ihr seht), alle
Bildhauer und Maler der alten und neuen Zeit gemalt hat, jenen
Vers des Dante hingeschrieben!
"Alle bewunderten ihn, Alle zollten ihm Ehre".
„Nachdem er ruhmbeladen und kaum in minderer Weise
als im "Triumph nach Florenz zurückgekehrt war, meisselte er
aus einem neun Ellen hohen Marmor, der wahrhaftig mehr
geschändet als bloss übel skizzirt worden war, und, man kann
so sagen, indem er einen Todten zum Leben erweckte, jenen
David (gemeinhin der Gigante von der Piazza genannt"), den
wir stündlich beim Aufgang der Rednertribüne sehen, vor dem
l-laiuptportale des Palastes der grossmäichtigeia und erhabenen
Signori, und heute des crlauchtesten und ausgezeichnetsten
Herrn Herzogs Cosimo Medici. Wenn nun auch der häuhge
Anblick verursacht, dass wir daraus kein so grosses Wunder
machen, so ist das doch nicht darum, als wäre er nicht das
schönste und erstaunliche Werk, das gemacht worden ist, ich
sage nicht bisher, sondern, das tiberhatipt in der Bildhauerei
1 Alessandro AI
22. September 1607.
Angelo ein Gemälde.
lori, gen.
Bronzino
il Bronzino, geb. am 31.Mai r535, gest. am
nmlte auch für die Lcichenfcicr des Michel