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LElCI-IENREIJE
VARCHL
noch schöner und wunderbarer, den er in Florenz gemacht
hatte; er liegt und schlummert. Er wurde am passenden Orte
vergraben und dann wieder herausgehoben, und zwar, wie
durch Zufall, auf einer Vigne in Rom. Die vollendetsten Künstler
hielten ihn für antik. Für antik wurde er von dem Cardinal
di San Giorgio um zweihundert Goldgulden gekauft, und heute
bewahrt ihn der ausgezeichnetste Herzog von Mantua unter den
seltensten und theuersten Kleinoden, welche das erlauchteste Haus
Gonzaga in seiner Garderobe besitzt."
„Das Seltenste und Wunderbarste dann war ein Bacchus,
welchen er (dem zufolge, was die allen Dichter von ihm berichten),
beiläufig achtzehn Jahre alt, darstellte, aber weit über Lebens-
grösse, und zwar für Jacopo Galli, einen sehr edlen und geist-
vollen Edelmann in Rom. Dieser Bacchus hält in der Hand eine
Schale, in der Luft erhoben, welche er aufmerksam und voll
Verlangen mit schmachtenden Blicken ansieht, und schier voll
Thränen, um sie ganz auszutrinken. In der linken Hand hält
er ein geHecktes Fell von einem Tiger und mit den Fingerspitzen
und jener des Daumens hält er schwebend eine reife Weintraube.
Indessen sieht diese ein kleiner Satyr von heiterstem Anblicke,
der ihm zu Füssen steht, wobei er allmälig, und schier als
fürchtete er, von jenem gesehen zu werden, vorsichtig davon
nascht. Man findet diese Statue, die sehr schön ist, sammt
einem Liebesgott, den Michel Angelo für denselben M. Jacopo
gemacht hat, zu Rom, im Hause des M. Giuliano und des
M. Paolo Galli, sehr wohlanständiger Edelleute, die auch sehr gute
Freunde des Michel Angelo gewesen. Diese Figuren kann
Niemand so hoch preisen, dass es trotzdem nicht nur sehr
wenig heissen wollte. Und als er sie aufdeckte, da hielten die
meisten Sachverständigen dafür, dass Michel Angelo ohne
Widerrede alle modernen Bildhauer hinter sich gelassen habe,
und so sagten sie auch. Es dauerte nicht lange, dass M. Gu-
glielmo Brissonetto , Cardinal von Rouen, bewogen durch
Michel Angelds grossen Ruf, vor Begierde irgend eine Sculptur
von dessen Hand zum Andenken zu besitzen, und zugleich für
den christlichsten König, für den er mehr wie ein Bruder als wie
ein Agent oder Gesandter in Rom verhandelte, es errang, dass
Jener ihm aus einem einzigen Stück Marmor jene Pieta fertigte,