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LEICHISNREDE DES B.
VARCHI.
auch studirte er sehr viel in der Perspective. Dieser Mann war
so fleissig und so genau in allen Dingen, dass er mit eigener
Hand nicht bloss die Eisenbohrer, die Feilen und die Gradireisen,
sondern auch die Federungen und Spitzmeissel und alle anderen
Eisen und Instrumente anfertigte, welche er in der Bildhauerei
bedurfte. Und in der Malerei bereitete er nicht allein die Grundir-
farben und alle übrigen Vorbereitungen und tiöthigeil Zurüstungeiw,
sondern machte sich auch die Farben selbst, da er sichvweder auf
die Fabricanteiu noch auf die Jungen verliess. Diese Dinge wären
vorzubringen und ein Jegliches insbesondere zu enipfehlen, was
wir aber aus drei Hauptursachen nicht thun zu müssen glaubten.
Die erste, weil sie so bedeutend und so geartet sind, dass Der-
jenige, der sie bloss loben und aufzählen wollte, in der Haupt.
sache davon doch nichts ersehen würde, Weder rasch noch so
geschwind. Zweitens, weil zwei schöne und sehr kluge und
ausserdem, was von vielem Gewicht ist, in -allen diesen Künsten
sehr verständige Geister und Hausgenossen des Michel Angelo
hievon in ihren "Leben" ausführlich geschrieben haben. Schliess-
lich, weil in zwei von mir verfassten und öffentlich gelesenen
Lectionen' ich davon schon vor achtzehn Jahren in unserer
Akademie, wenn nicht zum guten Theile, so doch wenigstens so
weit ich es wusste, gesprochen habe. Was ich hier nicht zu
wiederholen gedenke."
„lch beginne also mit der Malerei und lasse dahinter eine
Tafel, welche er a tempera nach der alten Manier malte, darauf
ein sehr demüthiger heil. Franciscus zu sehen, wie er Gott bittet,
der Stigmen gewürdigt zu werden. Diese Tafel befindet sich in
Rom in der ersten Capelle zur linken Hand, wenn man in die
Kirche S. Piero a Montorioi eintritt. Man kann sie würdig
1 Das sind die früher erwähnten Reden. S. Anmerkung z, pag. S7.
2 Das Gemälde befindet sich nicht mehr in der Kirche San Pietro in
Nlontoriu, an seiner Stelle befindet sich ein Fresco des Giovanni de" Vecchi,
welches denselben Gegenstand darstellt. Nach Vasari soll das Gemälde nicht
von Michel Angele, sondern nach einer Zeichnung Michel Angelds von dem
Barbier des Cardinnl Riario, der auch'die Malerkunst ausübte, gemalt worden
sein. In dieser Kirche befinden sich auch die auf die Mauer in Oelfarben
gemalten Bilder des Sebastiano del Piombo (Vasari X. im Leben des Seba-
stiano del Piombo) nach Zeichnungen des Michel Angele.