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LEICHENIQEDE DES B.
VARCHI.
ihn durch Vermittlung des Francesco Granacci, der dem Michel
Angelo sehr befreundet War, um Lohn zu Domenico di Tommaso
Ghirlandajo, welcher, abgesehen davon, dass er in jener Zeit
den Namen des ausgezeichnetsten Malers in Florenz hatte, ein
höchst wohlerzogener und in gutem Rufe stehender Mann war,
sammt David und Benedetto, seinen sehr würdigen Brüdern
Die erste Sache, welche er (Michel Angele) noch als ein Knabe
zeichnete und malte, war ein Bildchen auf Holz, darauf er
mit der Feder ein Kupferstichblatt aufzeichnete, die Einen sagen
von der Hand des Albrecht Dürer, die Anderen nach Martino
d' Ollandia, die Geschichte des heil. Antonius, wie er von unseren
Widersachern geschlagen wird. Und er führte es mit so vielem
Fleisse und so beschaffener Meisterschaft aus, indem er von der
Natur verschiedener Fischkörper die mannigfachen Gestalten und die
ungewöhnlichen Bizzarerien der Dämonen entlehnte, so zwar, dass
nicht bloss die andern Maler, sondern sein Meister Domenico selbst
in Erstaunen geriethen. Und ferner, wie das Einige geschrieben
haben, hätte diesendarüber derNeid erfasst. Sei es, umdas Werk zu
loben oder um sich damit zu ehren oder aus irgend einem Grunde,
pHcgte er zu sagen, diese Tafel sei aus seiner Bottegha hervor-
gegangen, aus Welcher in der That die schönsten und belobtesten
Gemälde herstammten, die zu jener Zeit gesehen wurden. Eine ge-
wisse Sache ist es, dass Michel Angelo in Folge eines grillenhaften
Einfalles, da er genug eigensinnig war und es verschmähte, von
Anderen tiusser von der Natur zu lernen, das hölzerne Gerüstef
auf Welchem Domenico damals auf Verlangen des Giovanni
Tornabuoni in der grossen Capelle in Santa Maria Novella
arbeitete, mit mehreren Tischen und der gesammten Einrichtung
und den Werkzeugen, welcher sich die Maler zu ihrer Kunst
bedienen, mit einem Theile seiner Mitschüler in deren wirklichen
Kleidern und den ihnen eigenen Geberden, die sie beim Arbeiten
zu machen pHegten, nach der Natur abmalte. Da ergriff Jenen
solches Verwundern, dass er mit dem offenherzigen Geständnisse,
er sei von ihm besiegt, laut sagte, dass Jeder es hörte: Dieser
versteht mehr als der Meister! Aber es war keine
1 Die berühmten Gemälde des Ghirlandajo im Chorc der Kirche Santa
Maria Novella, gemalt für die Familie der Tornabuoni und Tornaquinci, wurden
im Dßcelnber 1490 vollendet. (S. Vasari 1. c. V, pag. 72 und XII, pag. 159).