LEBEN DES MICHEL ANGELO BUONARROTI.
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die Mühe und den Eifer des schon genannten Herrn Realdo
davon befreit worden wäre. Er ist immer gut gefärbt gewesen
im Gesichte, und sein Wuchs ist von der Art: er ist von mässigei-
Leibesgrösse, breit in den Schultern, im Rest des Körpers, im
Vcrhältniss zu diesen, eher schwach als stark. Die Gestalt jenes
Theiles des Kopfes, der sich von vorn zeigt, ist von runder Form,
in der Art, dass er über den Ohren mehr als den sechsten Theil
einer Halbkugel bildet. So kommt es, dass die Schläfen etwas
mehr hervorragen als die Ohren und die Ohren mehr als die
Wangen, und diese mehr als das Uebrige, dermassen, dass man
den Kopf im Verhältniss zum Gesicht gross nennen muss. Die
Fronte ist von da aus gesehen viereckig, die Nase ein wenig
gequetscht, nicht von Natur aus, sondern weil, als er ein Knabe
war, ein gewisser Torrigiano de" Torrigianif ein bestialischer und
hochmüthiger Mensch, ihm mit einem Faustschlag den Knorpel
der Nase beinahe losmachte, so dass er für todt nach Hause
getragen wurde, welcher Torrigiani jedoch, dafür aus Florenz
verbannt, zu schlechtem Ende kam; übrigens steht diese Nase,
S0 wie sie ist, im richtigen Verhältniss zur Stirne und zum
Rest des Gesichtes. Die Lippen sind schmal, die untere aber
etwas dicker, so dass sie, wenn man ihn von der Seite sieht,
ein wenig hervorsteht, das Kinn stimmt gut zu den genannten
Theilen. Die Stirne geht im Profil weiter vor als die Nase, und
diese erschiene fast ganz eingedrückt, wenn sie nicht in der
Mitte einen kleinen Buckel hätte. Die Augenbrauen haben
wenig Haare, die Augen könnte man eher klein nennen als
gross, von Hornfarbe, aber veränderlich und mit gelblichen
und himmelblauen Flecken gesprenkelt, die Ohren richtig, die
Haare schwarz und so auch der Bart, ausser dass in diesem seinem
Alter von neunundsiebenzig Jahren die Haare reichlich mit grauen
durchsetzt sind, und der Bart ist gegabelt, vier bis fünf Zoll
lang, nicht sehr dicht, wie man zum Theil in seinem Bildniss
sehen kann. Noch viele andere Dinge bleiben mir zu sagen
übrig, die ich in der Hast, das herauszugeben, was nieder-
1 Piero di Torrigiano d' Antonio, detto il Torrigiano, geb. 1472, den
24- November, gest. 1522 (Vasari Vll, pag. 202), Michel Angelds Jugend-
genossc. Die Veranlassung zu diesem Gewaltacte Torrigiands erzählt B.
Cellini ausführlich in seinem Leben.