LEBEN DES MICHEL
ANGELO BUONARROTI.
ist, dass er von seinen Sachen wenig befriedigt war, und dass
er sie stets herabgesetzt hat, weil es ihm nicht schien, dass die
Hand jene Idee erreicht habe, die er sich innerlich ausgebildet.
Dann ist daher gekommen (wie es dem grössten Theile Jener
geht, die sich dem thatenlosen und beschaulichen Leben hin-
geben), dass er furchtsam war, ausser in gerechter Entrüstung,
wenn entweder ihm oder Anderen ein Unrecht und Schimpf
angethan wurde wider die Gebühr, in welchem liialle, er mehr
Muth bezeigt als Jene, die für muthig gelten, bei anderen Vor-
fallen ist er höchst geduldig. Von seiner Bescheidenheit könnte
man nicht so viel sagen, als er verdiente, sowie von seinen
vielen anderen Gaben und Gewohnheiten, die auch mit scherz;
haften Einfällen und witzigen Reden ausgeschmückt waren, der-
gleichen jene gewesen sind, die er in Bologna gegen einen Edel-
mann führte, der, als er die Grösse und den Umfang der Bronze-
Statue sah, die Michel Angelo gemacht hatte, sich verwunderte
und sagte: „Was glaubt ihr, dass grösser sei, diese Statue oder
ein Paar Ochsen?" Worauf Michel Angelo: „Je nach den Ochsen,
die ihr meint; meint ihr die hiesigen von Bologna, oh, die sind
ohne Zweifel grösser; meint ihr aber die unserigen von Florenz,
die sind viel kleiner." So auch, als der Francia, der dazumal in
Bologna für einen Apelles gehalten wurde, dieselbe Statue sah
und sagte: „Das ist eine schön Materie," worauf Michel Angelo,
dem es vorkam, dass er das Metall gelobt hatte und nicht die
Form, ihm lachend erwiderte: ,',Wenn das eine schöne Materie
ist, so habe ich dem Papste Julius dafür zu danken, der sie mir
gegeben hat, und ihr den Krämern, die euch die Farben geben."
Und als er ein anderesmal einen Sohn desselben Francia sah,
der sehr schön war, sagte er ihm: „Mein Sohn, dein Vater
macht die lebenden Figuren schöner als die genlalten."
LXIX. Michel Angelo ist von guter Leibesbeschaffenheit,
der Körper ehersehnig und knochig als fleischig und fett, vor
Allem gesund, sowohl von Natur aus, als durch die körperlichen
Uebungen und durch seine Enthaltsamkeit im Beischlaf und in
der Nahrung, obwohl er als Kind kränklich und Zufällen unter-
worfen und als Mann zweimal krank gewesen war. Jedoch
leidet er seit einigen Jahren sehr beim I-Iarnlassen, aus welchem
Uebel sich der Stein entwickelt hätte, wenn er nicht durch