BEN
DES MICHEL ANGELO
BUONARROT
allein zu der wahren Theorie gelangen kann) in dieser Kunst
es zu irgend etwas bringen, der irrt sich gar sehr.
LXVI. Er ist in seiner Lebensweise immer sehr massig
gewesen, indem er die Speisen mehr der Nothwendigkeit wegen
nahm, als wegen der Annehmlichkeit, besonders wenn er mit
einer Arbeit beschäftigt war, zu welcher Zeit er sich meistens
mit einem Stück Brod begnügte, das er sogar während der
Arbeit verzehrte. Jedoch lebt er seit einiger Zeit mit grösserer
Sorgfalt, da sein mehr als reifes Alter dies verlangt. Oftmals
habe ich ihn sagen hören: „Ascanio, wie reich ich auch gewesen
sein mag, so habe ich doch immer gelebt wie ein Armer". Und
gleichwie er Wenig Speise brauchte, so auch wenig Schlaf, der
ihm nach dem, was er sagt, selten gut gethan hat, Weil er,
wenn er schläft, fast immer an Kopfweh leidet, überdies macht
ihm das zu viele Schlafen einen schlechten Magen. Während-
dem dass er am kräftigsten gewesen, hat er zu öfteren Malen
eingekleidet geschlafen und mit den Stiefeln an den Füssen, die
er stets getragen hat, sowohl aus Ursache der Krämpfe, woran er
immerfort gelitten, als auch aus anderen Gründen, und manch-
mal unterliesser es so lange sie auszuziehen, dass dann mit
den Stiefeln zugleich die Haut mitging, wie bei den Schlangen.
Er schaute niemals auf den Groschen, noch trachtete er Geld
aufzuhäufen, zufrieden mit dem, was zum anständigen Leben
hinreichte, daher er, obwohl von vielen Herren und reichen
Leuten unter grossen Versprechungen um etwas von seiner
Hand angegangen, nur in seltenen Fällen etwas gemacht hat,
und dann mehr aus Freundschaft und Wohlwollen als aus
Hoffnung auf Gewinn.
LXVII. Er hat viele von seinen Sachen verschenkt, aus
denen er, wenn er sie hätte verkaufen Wollen, ein unendliches
Geld hätte herausschlagen können, wie es, als 0b es weiter
nichts Wäre, mit den zwei Statuen ging, die er dem Herrn
Robert Strozzif seinem grossen Freunde, schenkte. Nicht allein
1 Die beiden sogenannten "Sklaven" prigioni nennt sie C0r1clivi-,
die zum ursprünglichen Grab-Monumente für Julius lI. gehörten und von
Michel Angele schon in sehr früher Zeit ausgeführt wurden, kamen durch
Robert Strozzi in den Besitz des Königs Franz 1., der sie in dem Schlosse
Escoven (Ecuan) aufstellen liess. Dieses nahe bei Paris gelegene Schloss