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getheilt worden. Der aus diesen Thatsachen hervorgehende
bestimmteste Verdacht wird erheblich noch dadurch verstärkt,
dass das Bild auf der Schönbörnlschen Versteigerung zu Paris
1867 für den Betrag von 4000 Franken erworben worden ist,
eine Summe, für welche echte Rembrandts nicht feil zu sein
pflegen. Allerdings hat Vosmaer (S. 84.) Zweifel an der
Echtheit des Bildes nicht ausgesprochen, aber er hat das
ebenso gemacht bei anderen Werken, die heute nicht mehr
für echt gehalten werden.
Mir ist das Bild immer, schon vor 20 Jahren als ich es
zuerst in Pommersfelden sah, höchst zweifelhaft vorgekommen.
Dieses kahle, kalte und harte graue Gewand, dieser Mangel
an Schatten und Tiefen, dieser grasse Ausdruck des Gesichtes
mit den weit aufgerissenen Augen entbehren des Geistes, der
selbst der unbedeutendsten Aeusserung des grossen Meisters
eigen ist. Inneres, wahres und volles Leben, Empfindung bis
in den kleinsten Strich der Darstellung hinein sucht man in
Rembrandts Werken, Malereien wie Radirungen, niemals ver-
geblich. An Stelle der naiven Lebensfülle, der feinen Empfin-
dung und der tiefen Durchgeistigung der ganzen Darstellung
ist in dem „Paalus" eine Künstlichkeit, Kälte, Leere und Ab-
sichtlichkeit getreten, die zwischen diesem Bild und Rembrandt
eine unübersteigliche Kluft befestigen. Es mangelt jede innere
Beziehung, auch nur zu den nächststehenden Arbeiten des
Meisters. Jemand, der mit 20 Jahren solchen „Ptzzrlus" malt,
bringt mit 24 Jahren nicht eine Wgurarzna" und einen „Sz'1neoni',
oder mit 25 Jahren eine „Ana!0ruzk'" zu Stande, wie wir diese
Bilder im Museum des Haag sehen und bewundern. Auch
wenn man die beiden Radirungen aus dem Jahr 1628, vßildzzirsc
"um Renzbrandt": Matter", namentlich das Brustbild (Bartsch
N0. 354.), mit dem "Paulus" vergleicht, muss man diesen
Mangel an innerer Beziehung deutlich erkennen. Hier die
vollste Sicherheit in der Auffassung des Charakters und der
Physiognomie bis in die feinsten Züge hinein, die sauberste
und zarteste Zeichnung, die durchgeistigste Darstellung voller
Wahrheit, Natur und Leben! Und dort nichts von diesen
wesentlichen Eigenschaften. Zwar zeigt das Bild offen und
klar den EinHuss und die Schule des grossen Meisters, und