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Die
ländische Schule:
Die Utrechter Schule.
Beobachtung wird man kunstgeschichtlich nach den Nieder-
landen gewiesen und zwar nach den nördlichen, insbesondere
nach Utrecht, wo diese Behandlungsart beim Malen von Bild-
nissen bereits seit den zwanziger Jahren des Jahrhunderts in
der bestimmtesten Weise durch Jan Schoreel (1495-1562)
vorbereitet war. Doch fehlen bei diesem Meister noch die
vermittelnden Töne, und die Reihe von Bildnissen Utrechter
Domherren z. B., die sich im Museum dieser Stadt befinden,
hat noch recht etwas Hartes. Diese Behandlungsart erscheint
nun sehr erheblich weiter- und durchgebildet vorzugsweise
bei Antonis Mor von Utrecht, dem Schüler SchoreePs. Eine
gewisse, noch vom Mittelalter her nachklingende Strenge in
der Auffassung und Charakteristik verbindet sich bei ihm mit
einer schon erheblich entwickelten Schattenbehandlung. Bei
aller Bestimmtheit der Zeichnung und Klarheit der Modellirung
ist schon eine gewisse Breite der Pinselführung wahrzunehmen.
Bei mannigfacher Erinnerung an Geist und Styl der älteren
Kunst sprechen sich Wege und Richtung der neueren Malerei,
die in den nördlichen Niederlanden bald zu einer eigen-
thümlichen, nationalen Kunst sich entfalten sollte, deutlich aus.
Solche Eigenschaften verleihen den Werken des Antonis Mor
ein sehr sicheres Gepräge. Und wo man an einem Gemälde,
namentlich einem "Bildnisse, diese Eigenschaften findet, wird
man auf Antonis Mor oder einen demselben nahestehenden
Meister schliessen müssen.
Dieser Fall liegt hier vor. Es ist unzweifelhaft, dass das
Bild in den Kreis gehört, welcher durch die Kunstweise des
Antonis Mor bezeichnet wird, während man allerdings
darüber wird verschiedener Meinung sein können, ob es wirk-
lich von ihm selbst oder von einem ihm verwandten Maler
herrührt. Erwägt man jedoch, dass das Bild eine wundervolle
Sicherheit im geistigen wie im technischen Theile der Dar-
stellung zeigt, und ferner, dass wir von einem gleich hoch
begabten verwandten Kunstgenossen Mor's nichts wissen, so
wird man mit grosser Wahrscheinlichkeit den Namen dieses
Meisters selbst für das Bild in Anspruch nehmen dürfen.
Es ist von W. Unger radirt; vergl. den zugehörigen Text