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und Gescl
ichte der
holländischen Kunst.
ist diese Malerei; man kann nicht genug über die unvergleich-
liche Vollendung nach dieser Richtung, die unsägliche Mühe
der Arbeit staunen. Aber fragt man sich, 0b es bei einer
Näherin je so ausgesehen, wie auf diesem Bilde, ob man bei
einer Näherin je diesen grossen Saal, diese Einrichtung, dieses
Beiwcrk von Hasen, Hühnern und Fischen, Kohl und Rüben.
Amorettenreliefs und Vogelbauern, Degen und Globus.
Büchern und andern Herrlichkeiten gefunden: so erkennt man
deutlich, dass alles Dies hier nur zusammengethan ist, um als
Mittel einer bewunderungsxxterthen Darstellung zu dienen.
Selbst die junge Näherin, die eben ein grünes Kleid zertrennt.
kümmert sich um dieses nicht: das ist blos Aufstafürung ihrer
Hände, keine Arbeit; sie hat den Kopf erhoben und sieht den
Beschauer an, ohne ihm irgend etwas zu fsagen. Diese Ver-
hältnisse würden sich auch dann Wesentlich nicht ändern, wenn
man die Darstellung nicht als die einer „Näherin" von Gewerbe.
sondern als die einer jungen Frau oder Mutter in ihrer
Hausslichkeit auffasst; auch dazu passt das Beiwerk innerlich
nicht. Und wenn man im einzelnen Falle die innerliche Leere
eines derartigen Bildes übersehen wird, weil man durch die
Menge und Mannigfaltigkeit der dargestellten Gegenstände,
durch die erstaunliche Darstellung selbst sehr nachhaltig ange-
zogen und beschäftigt wird, so kommt sie doch zum entschie-
densten Bewusstsein, wenn man eine Reihe solcher Bilder
zu betrachten hat. Ein Gerhard Dow ist anziehend und
reizend, dreissig aber neben einander werden herzlich lang-
weilig; denn einer genügt, um die ausserordentliche Technik
zu bewundern und kennen zu lernen, und bei allen dreissigen
ist der gegebene Inhalt mehr oder weniger unbedeutend, so
dass er, wenn man von einem Bilde zum andern geht, wenig
Neues und nichts Fesselndes bietet. Und selbst wenn man bei
denersten fünfzehn noch länger verweilt, über die letzten
fünfzehn geht man sicher schnell hinweg.
Diese Meinung ist keineswegs neu. Sie ist schon von
Zeitgenossen Dow's ausgesprochen worden. und ich kann mich
namentlich auf Sandrart berufen. Sandrart hebt schon
hervor, dass dieses Künstlers Stärke im Vortrage beruhe.
war erstaunt über den peinlichen Fleiss und die damit ver-