Derbheiten.
Gegensatz gegen F1
Indern um
1d Brabant.
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gelbem Atlas dasitzt an einem Tisch mit Smyrnadecke und-
silbernen Putzgeräthen, streckt doch ihr hinter dem Tische
stehendes Mädelchen vor einem Spiegel die Zunge weit heraus.
Netscher hätte gewiss diesen Zug nicht angebracht, Wenn er
ihn nicht in Wirklichkeit gesehen, und wenn man nicht darüber
selbst in diesem vornehmen Hause recht herzlich gelacht hätte.
Noch jetzt haben die Holländer diese Neigung zu Derbheiten
und derben Spässen, die in ihrer Natur liegt, und die sich,
wenigstens für den Deutschen, in ihrer auf dem Plattdeutschen
beruhenden Sprache unmittelbar spiegelt.
Aehnliche Neigungen bestanden auch bei den Süd-Nieder-
ländern in Flandern und Brabant, doch nahmen dieselben
eine sehr andere Richtung, indem sie ganz vorzugsweise in-
der Darstellung der Martyrien als Kirchenbilder zum Aus-
druck gelangten. Doch sind sie hier meist einer dramatischen:
Spannung dienstbar gemacht und dadurch auf ein höheres.
Ziel gerichtet. lm Allgemeinen wirken in der vlämischen
Malerei, wie wir auch schon hinsichtlich der Bildnissmalerei
hervorheben, immer noch gewisse stylistische Prinzipien, die
der holländischen Malerei ganz fremd sind; dort zeigt sich
immer noch ein gewisser Sinn für formale Schönheit, für An-
muth und Zierlichkeit, welcher der holländischen Malerei
fehlt. Wie sehr Vlamen und Holländer in diesen Dingen ver-
schieden sind, lehrt nicht nur die Verschiedenheit ihrer Aka-
demiker, also z. B. eines Michiel Coxcie gegenüber einem"
Cornelius von Haarlem, sondern auch die Verschiedenheit der
Auffassung des Volkslebens seitens ihrer Gattungsmaler.
In diesem Betrachte giebt es vielleicht keine grösseren
Gegensätze als den jüngeren Teniers und Jan Steen, wenn
man von einigen seltenen Ausnahmen unter des Letzteren"
Bildern absieht. Eine vlämische Kirmess, von Teniers gemalt,
artet nie aus und bleibt immer sehr weit entfernt von der
Ausschreitung, welche die Figuren eines Jan Steen so oft
zeigen. Ja man kann sagen, dass bei Teniers oft genug selbst
tanzenden Bauern noch eine gewisse Anmuth in Form und-
Bewegung eigen ist, und dass selbst die sitzenden oder gehen-
den Bauern noch eine gewisse Schönheit und selbst eine Art
von vornehmer Würde haben, trotz mancher echt bäuerischeri