Gescl
macklosigkeiten und Derbheiter
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gröbsten Verstösse gegen Alles machen, was irgendwie mit
formaler Schönheit und mit gebildetem Geschmack, in unserem
Sinne. zusammenhängt. Diese Erscheinung ist eben, wie wir
an anderen Beispielen und Thatsachen schon hervorheben,
tief im holländischen Kunstgeiste begründet, aber sie verliert
darum im einzelnen Falle nicht ihre Merkwürdigkeit.
Nehmen wir beispielsweise das „Stadtbild" des Gerrit
Berckheyden in der Arembergschen Sammlung zu Brüssel
(N0. Sl, das so hübsch und treffend einen Kanal mit der darüber
liegenden Gracht und den an letzterer stehenden Häusern
darstellt. Aber im Vorclergrundc, am Rande der Gracht, be-
iindet sich ein mächtiger Krahn, dessen Hebebäume quer und
schräg über mehr als die Hälfte des ganzen Bildes gehen und
dessen Eindruck gänzlich vernichten. Es ist eine unglaubliche
Geschmacklosiglteit! Aber der Krahn stand nun einmal in
Wirklichkeit so da, und dem Maler Fiel es gar nicht ein, zu
Gunsten der Schönheit hier etwas abändern zu wollen oder
zu dürfen.
Oder man nehme den "Auszug der Spanier! aus Herzogen-
busch nach der Einnahme der Festung durch den Statthalter
Friedrich Heinrich im Jahre 1629" von Esaias van de Velde
im Museum zu Amsterdam (N0. 362). Da ziehen sie hin, zu
Fuss, zu Ross und zu Wagen, die Spanier mit Weibxund
Kind. Auf einem der Wagen sieht man, wie eine Mutter ihr
schon recht grosses Kind auf der Wagenleiter hält, über die
es. mit dem Allerwerthesten nach aussen sitzend, vor den
Augen des Beschauers seine Kunststücke ausführt. Naturalia
non sunt turpia! Aber warum sie in voller Blösse, ohne allen
Witz hier derb in den Vordergrund hingesetzt sind, vermöchte
man nicht abzusehen, wenn man nicht annimmt, dass der
Maler solchen Vorgang wirklich gesehen und dass er ihm in
seiner Derbheit Spass gemacht habe.
Was haben die Brouwer, Ostade, Dusart, Jan Steen
und Andere in dieser Hinsicht nicht alles geleistet! Selbst
schlimme Dinge, die sich nicht nennen lassen, kommen vor,
und selbst in ernsteste, Gegenstände mischt sich der derbe
Spass. So sitzt auf oder „Verstossung der Hagar" von Jan
Steen in Dresden (N0. 2432) hinter der Thür des Hauses die