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Zur Natur und Geschichte der hol
ländische!
Kunst.
Wirklichkeit, die wir lange aus den Bildern eines Ruisdael,
eines Jan van der Meer von Haarlem, eines Rembrandt
und Anderer kennen. Noch heute stehen die Städte mit ihren
Kanälen, Grachten und Brücken, mit ihren alten Häusern
und manchen alten Einrichtungen wie ehedem: wir linden
hier alles in Wirklichkeit wieder, wie es ein Jan van der
Meer von Delft, ein Pieter de Hoogh und Andere darge-
stellt haben. Es gewährt einen grossen Reiz, so die Gegenstände,
welche die alten Künstler malten, überall noch dauernd und
lebendig um uns zu erblicken, die Erscheinungsweisen und
Stimmungen der Menschen wie der Natur genau wieder
anzutreffen, die sie einst in ihren Werken Wiedergaben. Dabei
erkennt man denn deutlich, dass das künstlerische Wesen
dieser Werke in der treffenden Auffassung und bewunderungs-
würdigen Wiedergabe der Wirklichkeit beruht, nicht aber in
einem eigentlichen geistigen Schaffen und dichterischen Ertinden,
wie wir es in anderen Schulen der Malerei sehen. Die hol-
ländische Malerei ist eben ganz und ausschliesslich realistisch,
streng realistisch. Nur das Reale, das Wirkliche mit Augen
zu Sehende stellt sie dar, und dabei ist ihr fast all' und jede
Absicht fern, ihre Darstellungen durch die Anordnung zu
einer höheren Schönheit zu erheben oder nach Schönheit der
Form im Einzelnen zu trachten. Im Gegentheil, sie zeigt
nicht selten eine gewisse Vorliebe für das Hässliche und Bur-
leske, wenn es nur wahr und wirklich ist. Ihre poetische
Seite liegt nicht im Gegenstände und dessen Ausgestaltung,
sondern in der malerischen Darstellung und in der Stimmung
von Farbe und Ton. Dieser Stimmungscharakter ist ohne
Zweifel ein Element, Welches dem Lyrischen, dem Musika-
lischen die Hand reicht, und er trägt gewiss, wenn man die
Dinge tiefer betrachten will, hauptsächlich dazu bei, dass gerade
unsere übertrieben musikalische und musikalisch übertreibende
Zeit der holländischen Kunst eine so lebhafte Neigung zu-
wendet.
Es ist sehr merkwürdig. wie bisweilen hervorragende
Maler, welche den feinsten Sinn für die Elemente der Farbe
und des Tons, die zarteste Empfindung für jede leise Abstufung
oder Wandlung der malerischen Stimmung besitzen, die