Zur Natur und Geschichte der
holländischen Kunst.
wie ein hübsches Bauermädchen aussieht und wie eine
Statistin dasteht, mit Eifer ab. Und zwar that er dies mit
einer, in seiner Weise vollendeten Meisterschaft. Aber die
wundervolle Malerei ist doch auch nicht im. Stande, die Lacher--
lichkeit des Vorganges gänzlich zu überwinden. So sehr man
jene als hohe Leistung künstlerischer Meisterschaft bewundern
muss, so sehr muss man über diesen als eine kindliche Ver-
irrung lächeln. Als ob Idealgestalten vom lebenden Modell
kopirt werden könnten und nicht vielmehr in der Phantasie
des.Künstlers ihren Ursprung und ihre Vollendung suchen
und finden müssten, wenn auch zwischen Ursprung und
Vollendung das Modell seine berechtigte und unerlässliche Stelle
hat. Aber das Wussten und sahen die Holländer im Allgemeinen
nicht. Sie dachten, dass die Schönheit allein vom Modell käme.
Die Staaten von Holland zahlten desshalb auch der Jungfrau,
welche dem Adriaen I-Iannemann, zu dem für ihren
Sitzungssaal bestellten Gemälde, als Modell einer Friedensgöttin
gedient hatte, einen Ehrenlohn von tausend Gulden. I)
Man begreift diesen Irrthum, dieses Missverständniss.
Holland ist kein Boden, die holländische Sprache kein Aus-
drucksmittel für das Ideale: das Land ist flach, wiesengrün
und sandig, die Sprache ist platt, derb und rauh. Und der
Holländer lebt und webt auf diesem Boden, in dieser Sprache."-
Beide aber haben seinen Geist und sein Gemüth auf Wirklich-
keit und Stimmung gerichtet, und zwar mit einer Ausschliess-
lichkeit, die ihm das Verständniss des Idealen und idealer Ge-
staltungen erschwerte oder verschloss. Wenn er dort auf
seinem nationalen Boden gross und heimisch War, so war er
eben hier klein und fremd.
Als besonders hervorragende Beispiele solcher allegorischen
Gemälde können Metsu's "Gerechtigkeit als Beschützerin der
Wittwe und der Waise" im Haag (No. 75) oder Berghems
„Allegorie auf die Vergrösserung von Amsterdam" bei van der
Hoop daselbst (No. 9) gelten. Auch die Darstellungen des
Abraham van den Tempel, die sich auf den Krieg und
I)
hage.
Katalogus der
1870. S. 10.
schilderijen
oP
het
Raadhuis
te 's
Graven-