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Zur Natur und Geschichte der
holländischen Kunst.
Mannigfaltigkeit dem Auge zur Anschauung. Wie bewun-
derungswürdig Rembrandt in diesen Darstellungen seiner
eigenen Persönlichkeit ist, kann man schon durch die einfachsten
Vergleiche erkennen. Halte man z. B. das Dresdener Bild, wo
er sich und seine Frau in ausgelassener Lust dargestellt ltat,
(N0. 1225) neben das Bildniss ruhig-heiteren Charakters in
Berlin (N0. 808) und eines jener späteren Bildnisse, die ihn alt
und trübselig zeigen, wie z. B. das in Wien (I. Stock. Nied. l.
N0. 45)! Welch" ein Unterschied ist zwischen diesen Werken,
diesen Stimmungen. Besonders leicht und deutlich kann man
diese grosse Beweglichkeit Rembrandts in den beiden Selbst-
bildnissen der National-Gallerie zu London (N0. 672 u. 221)
wahrnehmen, die zu einer vergleichenden Betrachtung unmit-
telbar auffordern, wenn sie auch leider nicht unmittelbar neben
einander hängen. In dem einen Bildnisse, das ihn im Alter
von 32 Jahren darstellt, erscheint Rembrandt in der Fülle des
Lebens; mit unbefangenem, geistvollem Auge, frisch und
gesund, zwar gesetzt doch auch heiter blickt er in die Welt
hinaus. Und wie anders sieht er aus auf dem andern Bilde,
das aus seiner letzten Zeit stammt. Ernste Erfahrungen und
schlimme Leiden spiegelt der Ausdruck wieder, doch ist der
Künstler als Mann in sich gefasst; zurückhaltend und vor-
sichtig blickt er in die Welt hinaus. Diesen geistigen Abbildern
entspricht nun die technische Darstellung in der vollkommensten,
geistvollsten Weise. Dort die höchste Vollendung, die Blüthe
malerischen Vortrages in abgernessener, nicht zu feiner,
nicht zu breiter Pinselführung, jener zauberische Goldton, der
Rembrandt eigen ist, ohne im geringsten der Wahrheit der
Natur, besonders des Fleisches im Gesichte mit seinen röthlichen
Tönen Eintrag zu thun. Hier ein ganz breiter, zur geistvollsten
Eigenthümlichkeit entwickelter Vortrag, mit Lichtern auf Stirn
und Backen, und Schatten unter den Augen: so wie auch
andere Werke aus der letzten Zeit des Meisters, namentlich
das grosse „Familienbild" in Braunschweig (N0. 130) gemalt
sind. S0 erzählen die beiden Bildnisse ein Stück Lebens- und
Künstlergeschichte von Rembrandt. Welche 25 Jahre sind es,
die zwischen Beiden liegen!
Diese Grösse Rembrandts, Charakteristik und Stimmung