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Zur Natur
und Geschichte der
ländischen K1
USI.
holländische Malerei sich angeeignet hatte, nicht jene Richtung
wiederfinden, Welche zur selben Zeit die Mierevelt, die Ravem
steyn, die Franz Hals und andere Meister mit so grossem
Glücke verfolgten! Liegt darin nicht ein Anzeichen, dass Geist
und Art der holländischen Kunst vorzugsweise nur für die
Malerei taugten, dass sie aber dem Wesen und Styl der Bild-
hauerei und Baukunst sehr viel ferner standen? Und liegt
nicht weiter darin ein Anzeichen, dass den Holländern der
Sinn für die beiden letzteren Künste von der Natur nicht vor-
zugsweise gegeben war?
Wenn deshalb Kramm sagt: „Was Leo Battista Alberti
für Italien war, das war Hendrik de Keyser für Holland!"
so kann dies nur so verstanden werden, dass Alberti zu Keyser
sich verhält wie der herrliche Aufschwung der Baukunst und
Bildhauerei in Italien während des fünfzehnten und sechszehnten
Jahrhunderts zu den sehr bescheidenen Erscheinungen auf dem
Gebiete dieser beiden Künste in Holland um das Jahr 1600, wie
Michelangelo zu Cornelius von Haarlem, wie das hohe, genia-
lische Vorbild zur mühsamen Nachahmung, wie das helle, weit-
hin leuchtende Licht zu dem fernen Abglanze. Nicht auf diesen
Gebieten lag die künstlerische Kraft und Grösse Hollands Man
war deshalb oft genöthigt, Fremde besonders Vlamingen heran-
zuziehen, unter denen Arthus Quellinus wohl die erste Stelle
einnehmen dürfte; von ihm rühren unter andern die Bildwerke
am Rathhause zu Amsterdam her. Aehnliche Beispiele hat eben-
falls noch die neuere Zeit geliefert. L. Royer, welcher das eine
Denkmal Wilhelm von OranienTs im Haag, dasjenige Costefs
in Haarlern, das Rembrandts in Amsterdam modellirt hat,
stammte aus Mecheln; Geefs, von Welchem das Standbild
Hogendorps in Rotterdarn herrührt, ist Antwerpener.
Das Gewicht dieser Eigenschaften der Holländer, dieses
Mangels an natürlicher Begabung und ursprünglichent Sinn
für Baukunst und Bildhauerei wird besonders klar und deut-
lich, wenn man einen vergleichenden Blick auf die Leistungen
der Südniederländer wirft. Hier blühte in den Jahrhunderten
des Mittelalters und später die ausgedehnteste und glücklichste
Kramm,
De
levens
w erken
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III.
863.