48
Der geschichtliche Gang der niederländischen Malerei im sechszehnten Jahrh.
Venezianer, wie des Correggio, zur Vollendung gebracht, so
dass die niederländischen Maler eben so gewandt, leicht und
sicher den Pinsel führten, ebenso die Schattengebung und die
Palette beherrschten wie die Italiener. In den Hülfswissen-
schaften und in allen technischen Stücken hatte also die nieder-
ländische Malerei um das Jahr 1600 die Italiener vollkommen
eingeholt; die Bahn war frei und geebnet, auf welcher der
Genius eines Rubens schaffen und wirken konnte.
Und ganz ähnlich verhielt es sich auch in Holland.
Auch Rembrandt mit seinen unmittelbaren Vorläufern wäre
nicht denkbar, wenn er nur Cornelius Engelbrechtsen und
Lukas von Leyden geschichtlich vor sich gehabt hätte. Auch
für die holländische Schule bilden die Akademiker das unent-
behrliche geschichtliche Verbindungsglied, so dass in beiden
Zweigen der niederländischen Malerei, gleichzeitig und gleich-
laufend, dieselben Kräfte sich wirksam zeigen, wenn auch die
Wirkungen durch Besonderheiten bedingt waren.
Indem man nun zunächst Rubens und dessen Schule
betrachtet und namentlich die Ausgänge der letzteren im
Zusammenhange der vlämischen Malerei seit den Eyläs berück-
sichtigt, kommt man zu einem merkwürdigen Ergebniss, das
wir hier mit einigen Worten andeuten.
Diejenigen Maler, deren Jugend bereits in die Blüthezeit
von Rubens fällt, gingen im Allgemeinen ganz dem Vorbilde
desselben nach. Die älteren setzten die Ueberlieferung fort,
wenn auch mit Wechselungen, Wandlungen und unter gewis-
sen Einflüssen von Rubens. Zu ihnen gehören Hendrik van
Balen, Jakob Jordaens, Abraham Janssens, Cornelis
de Vos, Geraard Zegers, Theodor Rombouts, Caspar
.de Craeyer und verschiedene Andere. Sie stellen im mittel-
baren Sinne und in ihrer Gesammtheit betrachtet einen Theil
der Schule von Rubens dar. Die unmittelbaren, eigentlichen
Schüler aber fielen, später oder früher, mehr oder weniger,
einer Abirrung von den sichern und gesunden Wegen des
grossen Künstlers anheim, wie das natürlich in den mensch-
lichen Dingen und den Gesetzen der Geschichte liegt. Schon
van Dyk zeigt in manchen Stücken eine Neigung für den
Weg, welchen die nachrubenssche Malerei einschlug, indem er