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Der geschichtliche Gang der niederländischen Malerei im sechszel
mten Jghrl
Vortrag hat sich die Art dieser holländischen Landschafter in.
einen bestimmten und bedeutenden Gegensatz gesetzt gegen
die der vlämischen Schule. Derselbe kann mit Erfolg z. B-
auch in der Braunschweiger Gallerie beobachtet und erkannt
werden, wo ein bezeichnendes Bild von Heemskerk, mehrere
ausgezeichnete Stücke von Cornelius von Haarlem, selbständige
Landschaften des Kerrincx und andrer frühzeitiger holländischer
Meister, sowie eine erhebliche Anzahl von landschaftlichen
Gemälden der vlärnischen Schule sich befinden.
Doch kehren wir nunmehr zu den allgemeinen Verhält-
nissen der vlämischen Schule, wie sie durch die Aus-
schreitungen des Manierismus bestimmt wurden, zurück.
Zunächst suchte Otto van Veen (1558-1629) mit allem
Ernste noch einmal die akademischen Grundsätze zusammen-
zufassen und sie zur vollen Geltung zu bringen, aber gleich-
zeitig mit ihm suchte sein Altersgenosse Adam van Noort
(1557-1641) neues Leben in die Kunst durch Aufnahme
naturalistischer Grundsätze zu bringen. Diese beiden Männer
waren die Lehrer von Rubens; sie haben also eine weitgehende
kunstgeschichtliche Bedeutung und schliessen die Epoche ab,
welche zwischen den Ausgängen der Eycläschen Schule und
Rubens liegt.
Otto Venius hatte versucht den manieristischen Aus-
schreitungen der italienisch-vlämischen Schule von vornherein
die Wege zu verlegen, indem er mit ernstem Nachdruck und
mit vielem Glück die strenge akademische Methode sich zur
Leiterin erwählte. Er ward auf diese Weise ein Akademiker
wie er im Buche steht, immer regelrecht, immer formal tadel-
los, ja selbst edel, immer in der Malerei sehr tüchtig, in den
tiefen, vollen und saftigen Farben nachahmungswerth; aber die
innere Wärme, die Unbefangenheit des Gemüths wie des
Naturgefühls fehlen, das Studirte herrscht vor. Man kann die
NVege des Otto Venius noch jetzt in seinen Werken verfolgen.
Zunächst sich an das Vorbild der älteren vlämischen Akade-
miker, namentlich des Coxcie, lehnend, wie man dies in seinem
im Privatbesitze zu Brüssel befindlichen „Segen des Jakob"
sehen kann, geht er zum selbständigen Nachfolger der Italiener
über, und gewinnt hierbei eine Haltung, die bisweilen kaums