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Peter
Paul Rubens:
Meister und seine Kunst.
Der
London zeigen den Maler auf der Höhe äusseren Lebens und
lassen zugleich erkennen, auf welche seltene, ihn auszeichnende
Art er mit den Ereignissen seiner Zeit persönlich in Berührung
kam.
Beachtenswerth erscheint vorweg auch ein anderer Ge-
sichtspunkt allgemeiner Art. Man kennt eine Anzahl von
Beispielen in der Geschichte, wo, nach der siegreichen Been-
digung eines grossen Freiheitskampfes, ein Aufschwung auf
allen Gebieten der Kunst stattfand, und man findet es deshalb
begreiflich, dass in den nördlichen Provinzen der Niederlande,
die ihre Freiheit von Spanien erzwangen, die Malerei sich zu
hoher und eigenthümlicher Blüthe entfaltete. Aber das hatte
man noch nicht erfahren, dass nach der Unterdrückung eines
Befreiungskrieges, der aus den Tiefen des Volkes entsprungen
war, die Kunst sich in neuen leuchtenden Bahnen erhoben
hätte. Und doch scheint dies hier der Fall zu sein. Die süd-
lichen Provinzen der Niederlande mussten trotz der helden-
müthigsten Kämpfe die Herrschaft Spanierfs weiter tragen, sie
mussten dulden, dass Rom die ttusschliessliche Herrschaft über
die Seelen neu gewann. Aber trotzdem blühte die alte
Handrisch-brabantische Malerei gerade jetzt zu einer neuen
Herrlichkeit in Rubens auf. Und Antwerpen, das mit Feuer
und Schwert heimgesuchte, halb entvölkerte Antwerpen war
der Schauplatz dieser Blüthe! Sollte das Gesetz geschichtlicher
Weltordnung, das wir seit Jahrtausenden beobachten, hier seine
Kraft verloren haben? Oder sollte uns unsere Beobachtung in
diesem Falle täuschen und wir jenes Schicksal der vlämischen
Provinzen falsch auffassen? Allerdings führt uns der äussere
Verlauf des Krieges die südlichen Niederländer als Besiegte
vor, aber der innere Verlauf lehrt, dass sie nicht auch die
Unterdrückten und Zertretenen waren, dass sie vielmehr mit
ungebrochener moralischer Kraft aus den Kämpfen hervorge-
gangen waren und ihre alten Freiheiten, um derentwillen sie
ursprünglich die WaI-Ien erhoben, gerettet hatten Und als
dann nach der Gewaltherrschaft Philippis lI. die mildere Hand
Albrechts und Isabellafs über den Provinzen waltete, begannen
diese sich schnell zu erholen und zu heben. Dreiundzwanzig
Jahre, von 1598 bis 1621, regierte das ltönigliche Paar gemein-