Peter Paul Rubens:
Uebersicht z.
Lebensgesch.
Meisters.
Diese Inschrift hatte Michel (S. 154) falsch wieder-
gegeben und noch falscher verstanden. Er veränderte
das Jahr 1610 in 1626, nahm an, dass diese Widmung
die Grabschrift der Isabella Brant sei, und liess diese
nun am Tage des h. Michael, also am 29 September,
1626 sterben. Das haben die Anderen denn getreulich
nachgeschrieben. Grimbergen (S. 146) zwar giebt
die Widmung richtig auch mit deririchtigen Jahreszahl
1610, aber er übersetzt dennoch, Rubens habe dies
Gemälde
uit godvruchtige eerbied
aen het gemeene graf
van zyne voortreffelyke moeder
en van zyne huisvrouwe
Isabella Brant
oP
toegewyd
S. Michielsdag
1610.
Also sechszehn Jahre lang genoss Isabella bei Leb-
zeiten die Ehre der Todten! Aus der Mitstifterin wurde
sie zur Mitbegrabenen gemacht.
Diese Irrungen sind gewiss durch das geschraubte
Latein der Inschrift, in welchem sich eine künstelnde
Gelehrsamkeit verräth, veranlasst worden, doch hat
jedenfalls auch eine gewisse Oberflächlichkeit stark.
mitgewirkt. Meines Erachtens muss der Text, wie folgt,
verstanden werden: „Der Jungfrau-Mutter weihet dies
von ihm gemalte und auf eigene Kosten ausgestattete
Gemälde, in frommer Anhänglichkeit an das Grab seiner
vortrefflichen Mutter, gemeinsam mit seiner Frau Isa-
bella Brant, Peter Paul Rubens, mit willigem Herzen
nach Verdienst, grade am Tage des göttlichen Erzengels
Michael (des Titelheiligen der Abtei) im Jahre 1610."
Adolf Rosenberg, der in seinen "Rubensbriefen"
(S. 104) jener irrigen Auffassung folgt, meint: "dass
Rubens der Jungfrau Maria das Bild im Jahre 1610
geweiht und die auf seine Gattin bezügliche Zeile der
Weihinschrift erst nach dem Tode derselben (1626)
hinzugefügt hat." Diese Unterstellung bedarf nach dem
Gesagten keiner Erörterung.