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Der geschichtliche Gang der niederländichen Malerei
im secbszehnten Ja
nicht der Mühe verlohnt, die Ausschreitungen und Nachtheile
derselben zu erörtern, wenn er es auch für angemessen hält,
bei den einzelnen Meistern seiner Geringschätzung in starken
Worten Ausdruck zu geben. J. van Vloten nennt die aka-
demische Malerei der Niederlande eine Hunerfreuliche Bastard-
kunst, die Weder das eine noch das andere, weder italienisch
noch niederländisch war", eine wzwitterartige Missgeburt" und
dergleichen mehr. Er nennt die ganze Zeit dieser Bestrebungen
wegwerfend „die kurzen Tage des italienischen Schwindels"
und spricht in diesem Sinne davon, dass „der niederländische
Styl durch den italienischen verdrängt worden sei, der mit
Gewalt hier und da sehr zur Unzeit heraufgekommen seiÜl)
Es handelt sich aber in der That garnicht um einen .,nieder-
ländischen" Styl, sondern um den Styl _der mittelalterlichen
Kunst, der überall und auch in den Niederlanden abstarb.
An Stelle dieses absterbenden Styles die Lebensfähigkeit der
Kunst zu erneuern: das war das innere, geschichtliche Ziel der
Bewegung, worauf wir weiter unten noch zurückkommen
werden. Auch Max Rooses in seiner erst 1879 erschienenen
"Geschichte der Malerei in Antwerpen" hält im Allgemeinen
noch diesen Standpunkt inne, wie er denn beispielsweise sagt:
„Die Nachfolger der Italiener begaben sich auf einen Irrweg,
um ungekannte und Lmgefühlte Ideale zu erreichen. Es war
keine Wiederbelebung, die sie an unserer Kunst übten, sondern
ein Selbstmordf")
Sehen wir endlich, wie G. F. Waagen, der ausgezeichnete
Kenner der niederländischen Malerei, urtheilt Wenn man
ihm auch zugeben wird, dass es diesen niederländischen
Meistern wegen ihres eigenthünllichen Kunstnaturells nicht
gelang, „in das tiefe Verständniss der Formen einzudringen
oder sich das Gefühl für Schönheit der Linien, für Grazie der
Bewegungen zu eigen zu machen," so wird man ihm doch
lebhaft widersprechen müssen, wenn er ganz allgemein be-
hauptet, dass sie, „in dem Bestreben hiernach, in Unwahrheit
und Hässlichkeit der Charaktere, Uebertreibung der missver-
1) Nederlands Schilderkunst etc.
7) Geschiedenis der Antwerpsche
S. 69, 191, 69.
schilderschool.
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