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Peter Paul Rubens:
Der Lebensabx
Kutsche und sieben Pferde von ausgezeichneter Schönheit zu
überbringen. Kaum war er von dieser Reise zurückgekehrt,
so begab er sich nach Venedig in der Absicht, die schönen
Werke aus dem Grunde zu untersuchen und mit Musse zu
betrachten, die er bisher nur flüchtig gesehen hatte, und deren
grosse Zahl die Vorstellung in seinem Gedächtniss vermischt
hatte; denn er hatte sie nur so lange betrachtet als nöthig ist,
um ihre Bedeutung zu erkennen und einen lebhaften Wunsch
zu empfinden, dieselben eines Tages wiederzusehen und seiner
Lernbegierde völlig Genüge zu thun. Und in der That zog
er aus den Werken des Tizian, des Paolo Veronese und des
Tintoretto allen Vortheil, den man daraus ziehen kann, zur
Vervollkommnung seiner Kunstweise.
Nachdem er sich so in Venedig weitergebildet hatte, indem
er sowohl über die Werke der grossen Meister nachdachte als
dieselben auch kopirte, kehrte er nach Rom zurück, wo er
ausgewählt wurde, um die hauptsächlichen Gemälde der Chiesa
nuova von den Vätern des Oratoriums, die eben beendet war,
auszuführen; das eine steht auf dem Hochaltar und die beiden
andern zu den Seiten. Auf demjenigen in der Mitte hat er
die Jungfrau mit dem Jesusknaben gemalt und ringsum Engel,
die sie auf verschiedene Weise verehren. Die Bilder zu den
Seiten stellen mehrere Heilige aufrechtstehend dar, unter an-
deren den heiligen Papst Gregor und den heiligen Mauritius
in kriegerischer Tracht: diese Gestalten sind von grossem
Adel und im Geschmack des Paolo Veronese gemalt. Die
Entwürfe zu diesen drei Bildern befinden sich gegenwärtig in
der Abtei des heiligen Michael zu Antwerpen, wo
Rubens sie nach seiner Rückkehr nach Flandern hingebracht
hatte.
Unter allen Städten Italiens, wo Rubens sich aufhielt, hat
er am meisten in Genua verweilt, sei es, dass er das Klima
da milder fand, sei es, dass er da mehr Ehrenbezeigungen als
anderswo empfing, oder endlich, dass er da günstigeren Ge-
legenheiten begegnete, um das, was er gelernt hatte, zu ver-
werthen und die Gaben, die er für die Malerei empfangen
hatte, auszuüben; denn man sieht da viele seiner Werke und
sie werden da geschätzt ebenso hoch als sonst irgendwo in