Rubens und das Antwerpener Bürgerrecht.
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oder wenig später, genau zur selben Zeit als Marnix aus
demselben Orte an Jan Rubens abmahnend und ablehnend
schrieb, daselbst mit Wilhelm von Oranien, reist darauf nach
Antwerpen, kommt gegen Ende des Monats dort nieder, reist
mit dem Neugeborenen nach Siegen und richtet am 14 Juni
schon wieder von hier aus das Gesuch an den Grafen Johann
von Nassau. Wo bleibt da das Wochenbett? In höchstens
40 Tagen Reisen von mehr als 800 Kilometern, theils in hoch
gesegnetem Zustande, theils mit dem Säugling an der Brust,
eine Zusammenkunft mit dem Fürsten von Oranien, dem be-
trogenen Gatten derjenigen Frau, mit der ihr eigener Mann
die Ehe gebrochen, eine Zusammenkunft, die für beide doch
höchst peinlich hätte sein müssen. Und daheim der gefangene
„untreue Mann" mit den Kindern! Das Mährchen Wäre zu
mährchenhaft, auch wenn die Niederkunft nicht am 28 Juni
erfolgt wäre. Und damit springt die Abenteuerlichkeit der
Du Mortier-Genardschen Behauptungen in die Augen. Mit
derartigen Kunststücken in der Behandlung und Auslegung
geschichtlicher Urkunden kann man alles beweisen, was man
will, muss oder soll.
4. Weil Rubens „hohe politische Aemter bekleidete, ohne
dass jemals gegen sein Bürgerrecht Beschwerde erhoben
worden wäre, muss er in Belgien geboren worden seinf")
Auch dieser Grund erscheint den bereits gemeldeten That-
sachen gegenüber ohne Weiteres als hinfällig. Jedoch erscheint
es noch von besonderem. Belang, dass Genard einen ganz
wesentlichen Umstand übersieht. Rubens genoss als zum
erzherzoglichen Hofe gehörig, die den Hofleuten zustehen-
den Ausnahmen, Freiheiten und Vergünstigungen, überall im
Bereiche der. spanischen Niederlande, ganz auf gleiche Weise,
also auch zu Antwerpen, ohne dass er Bürger der Stadt zu
sein brauchte?)
Wir müssen ferner hier noch der Urkunde vom 28 August
1) Aanteekeningen. S. 14 und die daselbst gemachten Hinweise
auf Du Mortier.
2) Siehe weiter unten die „Uebersicht u. s. w." [Gag den 23 Sep-
Iember und 1610 den 9 und 20 Januar.