n Gossaert genannt
IYIabuse.
ein Fleiss, eine Tüchtigkeit und eine Technik nicht zu be-
seitigen, wie sie Quentin Massys besitzt. Das eigenste Lebens-
prinzip der Kunst beruhte nicht mehr auf unbefangener An-
schauung und warmer Empiindung, es ward vielmehr dufCh
eine unläugbare Ueberlegtheit und Absichtlichkeit bestimmt.
Diese Thatsache blieb den damaligen Künstlern in den Nieder-
landen nicht verborgen; während aber Massys trotzdem den
Styl und die Ueberlieferungen der Schule fest hielt, suchten andere
Meister mit Bewusstsein und Entschiedenheit andere Wege auf.
Hergebrachtermassen führe ich zuerst Jan Gossaert ge-
nannt Mabuse an (i47o?- 1532). Mabuse hatte anfangs, W16
Massys, Styl und Ueberliefertlng der Schule beibehalten und
sich dabei durchaus als ein Meister bewährt, dem es sogar in
einzelnen Fällen, wie z. B. dem lieblichen Marienbilde des
Hochaltars im Dom zu Xanten, gelang bis zu einem gewissen
Grade die alte lnnigkeit des Gefühles festzuhalten. Aber trei-
lich sind dies Ausnahmen. Im allgemeinen zeigt er sich
durchaus als Meister der ausgehenden Schule, der zwar seinen
Werken die alte Erscheinungsweise und eine vortreffliche
Technik verleihen, aber nicht hindern konnte, dass sie immer
ltälter und äusserlicher wurden. Man kann sich hiervon unter
andern an den meisten seiner im Museum zu Antwerpen be-
lindlichen Gemälde, namentlich aber sehr deutlich an dem
dortigen Bilde der „vier Marien mit Johannes" (N0. 179) über-
zeugen; dies ist noch ganz in der alten Weise der Eykschen
Schule gehalten, aber so äusserlich in der Beseelung, dass die
Frauen nur die Gesichter verziehen und so thun als 0b sie
weinten, in der That aber nicht weinen, da ihre Seele keinen
Antheil an der Gebärde ihrer Gesichter hat. Wenn aber selbst
ein so erhebliches Talent wie Mabuse, dem die mittelalterlichen
Kunstformen doch noch so recht im Fleische sassen, in diesem
Style sich nicht wahrhaft lebensvoll mehr aussprechen konnte,
so war die natürliche Folge, dass die italienischen Vorbilder
ihre Kraft äussern mussten.
Die Beziehungen zwischen Flandern und Italien waren
seit Jahrhunderten lebendig, wie schon verschiedene Stellen im
Dante bezeugen. Viele italienische Kunstwerke kamen nach
den Niederlanden, italienische Künstler reisten dahin, ein