Volltext: Abhandlungen und Forschungen zur niederländischen Kunstgeschichte (Bd.1)

Rembrandfs Anatomie. 
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selben dem Vortrage folgen und dessen Bedeutung in ihren 
Gesichtern, je nach dem Grad ihrer Einsicht und' ihres Ver- 
ständnisses, widerspiegeln. Diese innerlichen Beziehungen des 
Bildes sind so wahr und gewaltig, dass man sie als die Haupt- 
sache der Darstellung anzusehen unwillkürlich gezwungen 
wird, und doch sind sie nur Mittel, um der Hauptsache der 
Darstellung  den Bildnissen der Regenten der Wundarzten- 
zunft und des Professors der Gilde  einen einheitlichen In- 
halt und künstlerischen Zusammenhalt zu geben. Diese Ein- 
heitlichkeit des Vorganges ist aber selbst nicht einmal eine 
vollkommene, da drei der Zuhörer zum Bilde heraussehen; 
aber darin, dass man dies so wenig merkt, liegt ein Zug von 
Rembrandfs Grösse. Dennoch ist der Auftrag, die Anfertigung 
eines Gruppenbildnisses jener acht Personen, bei genügender 
Aufmerksamkeit, deutlich zu erkennen. Sobald diese Umstände 
übersehen werden, kommt man zu schiefen Auffassungen des 
Gemäldes, Welche leicht in wagehalsige Erklärungen übergehen, 
wie man z. B. an W. Burger sehen kann, der da sagt: 
„Qu'est-ce que la legon danatomie? C'est la representation 
de la science." 1) Und indem er diesen wunderlichen Gedanken 
weiter durchführt, stellt er das Regentenstück der Wundarzteit- 
gilde in Amsterdam RafaePs Schule von Athen und aller ähn- 
lichen „hieroglyphischen Malerei" in älterer und neuerer Zeit 
gegenüber. Wem er dabei den Siegespreis zuertheilt, brauche 
ich nicht zu sagen, da Burgefs Einseitigkeit zu Gunsten der 
Holländer wie seine Unfähigkeit stylistische Werke zu begreifen, 
bekannt sind. Dieser sonderbare Irrthum Burgefs ist aber 
immerhin lehrreich, denn er beweisst, wie geistreich, lebens- 
voll und tief künstlerisch Rembrandt eine Aufgabe erfasste, 
die für hundert Andere nur in der Ausfüllung eines bestimmten 
Schemals bestand. In diesem Betrachte steht seine "Anatomie" 
hoch über allen anderen Anatomie- und anderweitigen Re- 
gentenstücken, denn nie ist eine so tiefe Auffassung des Gegen- 
standes jemals wieder erreicht worden. 
Nach dieser „Anatomie" vom Jahre 1632 sind noch zahl- 
reiche andere ärztliche Regentenstücke von der Hand andrer 
1) Musäes 
de 1a 
Hollande. 
202.
	        
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