Zur Geschichte der Schütter-
und Regentenstücke.
haltend aufgefasst, dass man das Bild in dieser Beziehung für
einen Vorläufer von Rembrandfs Anatomie halten darf.
Auf dem berühmten, im Krankenhause zu Delft befind-
lichen Anatomiestückf) welches im Jahre 1617 Pieter Miere-
velt, nach einer Zeichnung und mit Beihülfe seines Vaters
Michiel, malte, sitzen und stehen die Zuhörer ringförmig um
den am Leichnam lehrenden Dr. Willem van der Meer, sehen
aber, mit Wenigen Ausnahmen, auch alle zum Bilde heraus
und den Beschauer an. Dem Leichnam ist der Bauch geöffnet
und die Hautlappen sind umgeklappt. Leider hängt dies Bild
für die Betrachtung hoch und ungünstig, auch ist es nicht
sorgfältig genug gehalten.
Es folgt dann ein Stück von Th. de Keyser aus dem
Jahre 1619, wo an Stelle des Leichnams ein Gerippef) und
eines von Nikolaas Elias aus dem Jahre 1625, wo ebenso
ein Schädel angeordnet ist: beide in Amsterdam (N0. 213).
Diesen Werken reiht sich Re mb ran dt's „Anatomie" vom
Jahre 1632 an, das Hauptwerk aller Anatomie- und Regenten-
stücke, im Museum des Haag (N0. 115). Dies bewunderungs-
würdige Gemälde vereinigt die Bildnisse der sieben Vorsteher
der Wundarztengilde in Amsterdam und ihres Meisters in der
Anatomie, des Professors der Gilde, N. P. Tulp. Tulp hat es
bestellt und der Zunft geschenkt. Entstehung und Aufgabe
entsprechen also ganz dem, was man von allen diesen Schütter,
Anatomie- und Regentenstücken berichten könnte. Aber wie
hat Rembrandt diese Aufgabe erfasst! Zwar lehnte er sich in
einigen Zügen an seine unmittelbaren Vorgänger, aber er ver-
tiefte die Auffassung des Gegenstandes auf eine neue Weise.
Rembrandt führte eine bestimmte Handlung in denselben ein,
indem er Tulp an dem Leichname die Beugemuskeln der
Hand erklären lässt, und er setzte die Mehrzahl der Personen
des Bildes mit dieser Handlung in Verbindung, indem die-
1) Einen Holzschnitt dieses Bildes hat C. Vosmaer seinen Auf-
sätzen über die "Anatomiestücke" in der „Zeitschrift f. b. Kunst"
1873. S. 13 HI, der "Kunstkronijla",1874. S. 3 H". und L'art 1877, I .
S. 73 ff. beigegeben. Vergl. auch Bleyswijck. S. 576 u. 851.
2) Abgebildet in L'art. 1877. II. S. 77.