Volltext: Abhandlungen und Forschungen zur niederländischen Kunstgeschichte (Bd.1)

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anatomischen Theatern, doch mussten sich einige Zünfte auch 
noch in alten fremdartigen Häusern behelfen, wie denn z. B. 
die Anatomie-Kammer in Amsterdam zu Zeesen's Zeit sich in 
den ehemaligen Fleischhallen befand. In dem Hauptsaale und 
den Nebengelassen waren Gerippe und ärztliche Präparate, 
naturgeschichtliche Gegenstände und Bücher, sowie auch Ge- 
mälde, namentlich Bildnisse von den Vorstehern der 
Zunft und von verdienten Aerzten untergebracht. Auch hier 
war bei den Vorsteher-Stücken das „besondere Bildniss", wie 
Samuel van Hoogstraeten es nannte, der eigentliche Zweck der 
Darstellung, aber es bildete sich von vornherein dabei eine 
eigenthümliche Auffassung des Gegenstandes aus, indem die 
Darzustellenden mitten in ihrem Berufe, in ihrer Arbeit ge- 
nommen wurden,  am Leichnam lehrend oder lernend. 
Aber der innere Zusammenhang entfiel hierbei mehr oder 
weniger dem Maler, da er Lehrer und Lernende lieber den 
Beschauer ansehen als den Leichnam beachten liess, also statt 
der Handlung eine Schaustellung gab. 
Das älteste dieser ärztlichen Regenten-Stücke, soweit die- 
selben erhalten und bekannt sind, ist die „Vorlesung des Dr. Se- 
bastiaan Egbertsz de Vry", von Aert Pietersen 1603 gemalt. 
Es gehört der Amsterdamer Chirurgen-Gilde zu und befindet 
sich mit den übrigen in Amsterdam noch erhaltenen Gemälden 
derselben in einem Saale der neuen Kunstakademie daselbst. 1) 
Auf diesem Bilde des Aert Pietersen (No. 1) sind um den 
Lehrenden achtundzwanzig Zuhörer angeordnet, die jedoch 
bereits alle, wie schon im allgemeinen bemerkt wurde, statt 
auf das, was jener am Leichnam erklärt, zu achten, den Be- 
schauer ansehen?) Die Vortragsweise lässt den Einfluss 
Mierevelfs erkennen, und der Leichnam ist derart zurück- 
1) Schilderijen afkomstig van het aloude Chirurgijns-Gild te 
Amsterdam (v. A. Thijm). Das. 1880. Und Beschrijving der schilde- 
rijen afkomstig van het Chirurgijns-Gild te Arnst. (v. J. W. R. Tila- 
nus). Das. 1865. Letzteres Verzeichniss ist das ausführlichere; 
beide haben dieselben Nummern. 
2) Abgebildet in L'art. 1877. II. S. 73. 
Riegel I. 10
	        
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