Die klassischen Vorbi
lder.
holländischen Maler wahrlich ganz anders dachten, dass sie
eine grosse Hochachtung vor den klassischen Vorbildern, vor
der dichterischen Schönheit der antiken Sage hatten. Man
erinnere sich doch, dass die ganze höhere Bildung in jener
Zeit, auch die Hollands, streng auf klassischer Grundlage be-
ruhte, ja dass gerade Holland in seiner Universität zu Leyden
einen der gefeiertsten Mittelpunkte klassischer Gelehrsamkeit
im siebzehnten Jahrhundert besass. Man beachte doch die
Literatur in jener Zei, man erforsche doch den_ Charakter
der ganzen Kultur jenes Jahrhunderts. Man bedenke, dass die
Künstler dieser Bildung, dieser Kultur, dieser Zeit angehörten,
und man sehe beispielsweise doch die Zimmer besserer Ein-
richtung an, die sie malten, selbst die ein Jan Steen, dieser
Freund derbster Wirklichkeit, malte, und betrachte die Ge-
mälde, die sie da als Zimmerschmuck abgemalt haben. Fast
immer sind es Vorgänge aus der klassischen Mythologie nach
der Art der Italiener behandelt. Sie mussten doch wohl der-
artige Bilder ganz besonders schätzen. Ja noch mehr. Sehr
bald lehnte sich die holländische Malerei selbst wieder eng an
die Italiener an, und die eigenen Schüler von Rembrandt
lenkten ganz bestimmt in die Bahnen eklcktischer, italienisch-
akademischer Kunstübung ein. Freilich war die holländische
Kunst in eigenartiger Grösse nur entstanden, indem sie diese
Vorbilder von sich stiess und ganz realistisch wurde, aber der
ausschliessliche Realismus erschöpfte sich. Sie verlor an Eigen-
art und Haltung und lehnte sich deshalb wieder an jene Vor-
bilder an. Die B01, die Flinck, die Maes, die Metsu, die
Bßfghem, die W erff und wie die hundert Namen alle lauten:
sie suchten die Kunst Italiens auf, um der sinkenden Lebens-
kraft ihrer eigenen Kunst einen bestimmten Rückhalt zu ge-
winnen. Ja selbst Männer der Gattungs- und Wirklichkeits-
malerei, von denen man es nicht hätte erwarten mögen, selbst
ein Philipp Wouwermann beschritten diese akademischen
Wege. Das merkwürdige Bild dieses Meisters, die „Himmel-
tahrt Christi" in Braunschweig (N0. 542) bezeugt es ganz
offenkundig, wie er die Venetianer, insbesondere Paolo Vero-
nese studirt und aufgenommen hatte. Houbraken berichtet
auch, dass Adriaen van der Werff in Ertindung und Ge-