Die
Architekturmalerei
Schatten da; und in die Schatten wieder dringen Widerscheine
aller Art ein, sie erhellend und belebend. Dann aber rückwärts
in der Stube ist eine Thür geötfnet und gestattet die Durchsicht
auf einen hell beschienenen Hof; der neue Lichteinfall bringt
wieder eine neue Wirkung voller Reiz hervor, den der Gegen-
satz noch erhöht. Und in solchem Bilde steht nun dort eine
scheuernde Magd, hier eihe Kindswärterin mit der Wiege,
dort sitzt die Heissige Frau des Hauses, hier der Herr mit der
thönernen Pfeife. Wie hat Pieter de Hooghe solche Bilder
unübertrefflich geschildert! Wohl nirgends findet man sie
noch jetzt in voller Wirklichkeit ganz so wie ehedem erhalten
als in dem stillen freundlichen Delft, das sich so wenig ver-
ändert hat. Wie eigenthümlich, sinnig und stimmungsvoll
sind sie! Und doch wie attffällig ist es, dass bei so nahe
liegender poetischer Stimmung ein so ausserordentlicher Künst-
ler wie der Delffsche van der Meer solche Bilder so prosaisch
auffassen und behandeln konnte, wie er es z. B. in einem Bilde
bei Herrn Six van Hilligom in Amsterdam gethan hat. Quer
durch den Vorgrund vom rechten Bildrande zum linken läuft
geradlinig die Strasse und dahinter steht ebenso geradlinig und
steif eines jener einförrnigen Backsteinhäuser; durch eine offene
Thür sieht man einen Gang hinunter: inhaltlich die platteste
Prosa, zeichnerisch in Hinsicht formaler Schönheit eine recht
alltägliche Gewöhnlichkeit. Nur in der Behandlung von
Perspektive und Schatten liegt ein Stimmungselement, das auf
die feineren Seiten des wirklichen Urbildes hinweist, welches
der Künstler hier abgebildet hat. Weniger bedeutende Meister
erreichten in ihren Stadtansichten und Architekturbildern im
Allgemeinen selten mehr als blosse Ansichten, ohne diese
durch die Wahl eines bedeutenderen Standpunktes. und reichere
malerische Stimmung zu feineren Kunstwerken erheben zu
können. Rembrandt ist auch auf diesem Gebiete das uner-
reicht gebliebene Vorbild seiner Landsleute, wie unter andern
eine Zeichnung in der Albertina zu Wien, eine sehr malerisch
aufgefasste Innenansicht einer Kirche, die schon des Meisters
volle künstlerische Absichten deutlich zeigt, lehren kann.
_ Wir sind mit diesen Ausführungen schon weit in eine
Zeit hineingerückt, wo die Grundlagen des nationalen Lebens