KÜNSTLER
ZWEITEN DOMPORTALS
nachweisen, und es liegt nahe, die weniger guten Theile als
Werke des Antonio und Giovanni zu betrachten, um so mehr,
als die Documente dies zulassen.
Die Engel auf der rechten Seite des Portals sind weniger
fein ausgeführt, als jene links, sind also wahrscheinlich Werke
des Antonio und Giovanni. Ebenso sind die sechs singenden
Engel in den Medaillons des Lunettenbogens von roherer Arbeit,
als die rechts unten. Der sterbende Christus in der Mitte des
Bogens ist dagegen schon vortrefflich in den anatomischen
Details und in der realistischen Emphndung und wahrscheinlich
ebenso wie die Engel rechts unten ein Werk des Niccolo. Diese
Engel mit ihren lebensvollen Köpfen, mit der bestimmten und
zugleich weichen Modellirung, mit dem saftigen und aus lauter
Lebensfülle schwärmerischen Mund, dem die affectirte Bitterkeit
wie die unbestimmte Süssigkeit der früheren Epochen gleich
fremd ist, sind bereits wahre Werke der Renaissance. Auch
das Gewand daran zeigt schon einen bedeutend fortgeschrittenen
Realismus, wenn auch Donatellds Detailstudien noch nicht
daran zu sehen sind.
Fassen wir das Resume der Einflüsse, welchen Niccolo
d' Arezzo folgend, der Renaissance so nahe kam, zusammen,
so glauben wir nachgewiesen zu haben, dass er manchen reali-
stischen Anstoss dem deutschen Piero di Giovanni verdankt,
dass er durch diesen Anstoss veranlasst ward, mit eingehender
Liebe und mit Glück antike Motive in Ornamentik und Figuren,
antike Eleganz und Wahrheit der Formen, sowie antikes Streben
nach weicher, heiterer und harmonischer Wirkung in seinem
Schaffen aufzunehmen und anzustreben.
Nicht ohne bedeutenden Einfluss auf seine vervollkomm-
nete Technik und Formenbildung mochte das verwandte Streben
des tüchtigen Jacopo di Piero sein, sowie er endlich selbst
natürlich eine gute Dosis eigener Begabung mitbringen musste,
um aus diesen verschiedenen Elementen und Einflüssen ein
neues Ganzes zu schaffen, das einen entschiedenen und ent-
scheidenden Schritt nach Vorwärts, der Renaissance entgegen,
bezeichnet.