DIE FLORENTINISCHE SCULPTUR VOR
DONATELLO.
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führte, und die seit ihm in der ganzen Renaissance Geltung
behielt, ist der umgeworfene Mantel, den er seinen Statuen
gibt. Ein Motiv, das fast unverändert Donatello von ihm an-
nahm. Während das Costume darunter der antike Chiton bleibt,
wird dieser meist vor dem Halse befestigte Mantel in mannig-
facher und faltenreicher Anordnung den Figuren lose umgeworfen
und bildet so ein neues, energisches Mittel zum Ausdruck der
Empfindung und zur malerischen Gliederung des Ganzen; auch
fördert diese Art der Drapirung ein freieres Spiel der Hände
und des ganzen Körpers. Eine kräftige und geschickte Verthei-
lung von Licht und Schatten unterstützt diese Behandlungs-
weise und entspricht ihr zum Theil. Damit in entschiedenem
Zusammenhang steht auch der fortgeschrittene, wenn auch noch
nicht völlig durchgeführte Realismus im Faltenwurf. Dabei sind
seine Köpfe voller Ausdruck und stimmungsvoll schattirt.
Die übrigen nachweisbaren Werke Niccoläfs fallen theils
gewiss, theils Wahrscheinlich (wie das treffliche Relief der
schützenden Madonna an der Misericordia in Arezzo) erst in
den Anfang des 15. Jahrhunderts, und sollen desshalb erst bei
der Schilderung dieser Kunstperiode wieder zur Sprache kommen.
Nur so viel. Im Jahre 1400 liess Bonifacius IX, von dem
Gelde, das er von den Römern erhielt, um ihn zur Rückkehr
nach Rom und zur Feier des Jubiläums zu bewegen, die Engels-
burg befestigen. Niccolo di Piero wurde mit dieser Aufgabe
betraut, woraus sich ergibt, dass er auch als Architekt sich
bereits einen Namen gemacht haben musste. Für das Jahr 1400
fehlen gerade Documente, welche Niccoltfs Anwesenheit in Flo-
renz nachwiesen, was VasarTs Angabe über seine Thätigkeit in
Rom unterstützt.
Diese Anwesenheit des Niccolo in Rom an der Scheide
des I4. Jahrhunderts muss von grosser Bedeutung für seine
wie für die ganze Kunstentwickltltig des 15. Jahrhunderts ge-
Wesen sein. Ohne Zweifel gab er sich, so viel ihm Zeit blieb,
einem begeisterten Studium der antiken Statuen und Ornamente
hin, und wir werden später sehen, welche speciellen Anklänge
an antike Werke er diesem Studium zu verdanken haben
mochte. Zugleich mochte er bei seiner Rückkehr in Florenz
durch seine Schilderungen in Schülern und Freunden das Ver-