DIE FLORENTINISCHE SCULPTUR VOR DONATELLO.
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vielmehr alle mehr oder weniger von der Architektur beherrscht
waren, und ferner gerade an der ornamentalen Sculptur der Wandel
von Gothik in Renaissance sich in interessanter Weise vollzog.
Schon an anderer Stelle haben wir nachgewiesen, wie
trotz des Eindringens gewisser gothischer Anklänge und Formen
in die Architektur Italiens und speciell Toscanas dennoch die
antiken, seit lange vererbten Ornamente, Details, Glieder und
selbst Proportionen zugleich noch daneben sich erhielten, zum
Theil wie verhüllt in den allgemeinen gothischen Schleier. Ein
Fenster oder Tabernakel konnte z. B. spitzgieblig sein, aber auf
korinthischen Pilaster11 oder Säulen ruhen, mit Akanthusranken,
Rosetten ornamentirt sein etc. Während Niccolo Pisano sich
noch durchaus an den italienisch-romanischen Styl mit classisch
verfeinerten Details hält, nehmen Giovanni Pisano, Arnolfo und
Andere den Apparat von Spitzgiebeln, Spitzbögen etc. an, behalten
aber die classischen Details und Ornamente grösstentheils eben-
falls bei. Ebenso Orcagna in seinem Tabernakel vom Jahre 1359.
Die gothischen Pfeilerbündel kamen, wenigstens in Tos-
cana, selten zur Geltung; hier bewahren die Pfeiler mehr Ver-
wandtschaft mit denen der sogenannten romanischen Zeit. Auch
an ihnen (wie im Dom und der Loggia dei Signori) werden
Capitäle von Akanthus angebracht, der in zwei bis drei Reihen
übereinander allerdings eine mehr und mehr dürre Ausbildung
annimmt. Ebenso kommen in den Zwickeln zwischen spitz-
bogigen Fenstern (wie an Or. S. Michele) Blattfüllungcn vor,
die ganz dasselbe Schema zeigen, wie an den römischen Sarko-
phagen. Ja, auch die Rundbögen erhalten sich, zumal bei
grossen läogenöffnimgen an Loggien, Höfen etc. (Loggia de"
Signori, Loggia dcl Bigallo, Hof des Palazzo del Podesta etc.)
Im Ganzen nimmt aber gegen das Ende des 14. Jahrhunderts
die Ornamentik einen so trockenen, wirkungslosen und strengen
Charakter an, dass ohne neuen Impuls diese Reste antiker
Formen schwerlich zu einer Renaissance geführt hatten.
Dieselbe Erscheinung zeigt sich in der figürlichen Sculp-
tur, besonders in dem Zeitraum von etwa 1360-1380. Auf
Andrea Pisano und Orcagna folgt ein Heer von Bildhauern,
welches die pisanischen Traditionen zu einer erschreckenden
Starrheit, Plumpheit und Rohheit verwildern lässt. Beispiele