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QUELLEN-ANGABEN.
Wenn Rumohr's Behauptung, Donatello habe die malerische Behand-
lung der Figur von Ghiberti gelernt, unrichtig ist, so ist die unmittel-
bar vorhergehende ungerecht, Donatello sei ungleich weniger be-
gabt gewesen als Ghiberti. Ich behaupte das Umgekehrte, und berufe
mich dabei weniger auf die grössere Menge der Donatelldschen Werke, als
auf deren ungleich grösseres Leben, Charakter, Naturwahrlieit, Studium und
Stylreinheit. Auch in der Schönheit übertrifft Donatello in vieler Hinsicht
den Ghiberti; Ghiberti hat viel Compositionstalent (was dem Donatello auch
nicht fehlt, bei dem es noch tieferen, reineren Stylprincipien folgt, wiewohl
Ghiberti darin mehr Anmuth entwickelt); weit überlegen ist er dem Ghiberti
aber in der poetischen und künstlerisch durchgeführten Wiedergabe der
schönen Natur.
Noch ungerechter und durch Unrichtigkeit überraschender ist folgendes
Urtheil Rumohfs über Donatello: „er habe seinen Mangel an Richtigkeit und
Fülle der Charakteristik durch Uebertreibungen der Züge einer ein-
zigen Durchschnittsform zu ersetzen gesucht." Rumohr scheint den
armen Donatello durchaus auf den Kopf stellen zu wollen. Er spricht von
ihm, wie wenn man einen Säugling Greis nennen wollte. "Eine einzige
Durchschnittsforml" Und alle die vielen meisterhaften Portratköpfe, der
Reichthum an grundverschiedenen Typen, die Donatello geschaffen, und
deren jeder eine ganze Richtung in der Kunst der Folgezeit schuf?! Seine
schalkhaften Putten, seine edlen, ernsten, schönen Madonnen, sein Gatta-
melata und S. Georg, seine Täufer im härenen Gewande und seine ent-
zückenden Knabenbüsten des jungen Taufers! lch rathe Jedem nur, vor-
urtheilslos sich dem tiefen und reichen Geiste Donatell0's in seinen Werken
hinzugeben, damit er entrüstet Rumohfs verkehrte Verlästerungen eines der
ersten aller Bildhauer zurückweise. Sagt er doch auch von diesem poeti-
schen, vom tiefen, edlen Gefühl überquellenden Künstler:
„Sein Verdienst war nur ein technisches. Gewiss war sein Geist
ebenso arm als roh" etc. .
Diese Hauptstellen Rumohr's über Donatello mögen genügen, um die
Werthlosigkeit des darin enthaltenen Urtheils über diesen Künstler darzuthun.
119) Ueber Donatellds Magdalena siehe Vasari, Lemonnier lII. 247,
ferner Richa, le chiese di Firenze. Dort ist auch folgende Urkunde ver-
öifentlicht:
Deliberazione de" Consoli dell" arte de mercatanti:
„A Jacopo Sogliani orafo si paghi per la diadcma facta per
la figura et imagine cli Sta. Maria Magdalena nuovamente posta
nella chiesa di S. Giovanni .
An dem Postament steht:
Votis publicis
Mariae Magdalenae simulacrum
Insigne Donati opus
Pristino loco
Elegantiorique repositum
anno CIDIDCXXXV.