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QUELLEN-ANGABEN.
Vom Costume geht also Bocchi zur Vivacita über. Unter ihr ver-
steht er wiederum allerlei, wie Handlung, Beweglichkeit, Bewegung,
Belebung, anatomische Richtigkeit etc.
Zuerst heisst es unter der Rubrik Vivacitä vom S. Georg:
"Die Handlung erscheint klar und edel und jedes Glied auf's beste
verwendet." (p. 132.)
"Nur dann heissen Augen und Hand vollkommen, wenn man sie sehr
gut gebrauchen kann." (Gewandtheit, Beweglichkeit.)
Mit dem folgenden Satze verlässt Bocchi wieder den neutralen Boden
des Verhältnisses der Kunstreproduction zur Natur, und wird wieder
Moralist. Er sagt:
"Die Fähigkeit, handeln zu können, ist noch nicht rühmlich, son-
dern die Lebhaftigkeit wird erst dann rühmlich, wenn ihre Handlungen
und Werke lobenswerth sind." (p. 138.)
Ein so alberner Satz wie möglich.
Also wenn ein Künstler einen Mörder lebendig darstellt, so ist das nicht
verdienstlich, weil des Mörders Handlung nicht rühmlich ist? Welche logische
Confusion!
Weiter sagt er: „Ohne Leben keine Schönheit!" Diesen, richtig
verstanden, sehr richtigen Satz, legt er aber wieder sehr plump und falsch
aus. Man höre und staune:
„Man kann also zweifeln, ob die Lebhaftigkeit in den Körpern, welche
vom Schlafe oder Tode gefesselt sind, vorhanden sei wir können
sagen, dass, weil zum Handeln, welches aus der Seele kommt, die Instru-
mente des Körpers nöthig sind, die sich bewegen müssen weder im
Schlafe noch im Tode Lebhaftigkeit (Belebung) vorhanden sein könne, und
umsoweniger, als beide desAusdruckes (costume) beraubt sind." (p. x40.)
Wir sagen: künstlerische Belebung umfasst auch Schlaf und Tod.
Auch Bocchi merkt, dass er zu weit gegangen, indem ihm der Holo-
fernes Donatello's, sowie die Nacht Michelangelds einfallen. Er tl1ut aber
diesen Werken, zumal dem letzteren, das alberne Unrecht, sie in Schutz zu
nehmen, "weil die Kunstfertigkeit (artifizio), welche in Nachahmung
besteht, und die an diesen Werken bekannt ist, so ausserordentlich ist, dass
sie allein verdient hoch gefeiert zu werden". (p. 140.)
Also Michelangelds Nacht verdient allein hochgefeiert zu werden,
weil in ihr der Schlaf mit gross er Kunstfertigkeit nachgeahmt ist!
Ferner sucht Bocchi seinen obigen Satz dahin einzuschränken, dass
frischgestorbene Personen auch noch einen Rest von Schönheit und Be-
lebung bewahrt hätten. (p. x40.)
Dies hat etwas für sich, dennoch kann aber ein Künstler selbst ein
Skelett lebendig darstellen.
Wahrer als die vorigen ist Bocchi's Satz, dass ein Künstler nicht alle
Theile bethatigen könne, welche zur Bewegung fähig seien. (Allerdings,
dann müsste ein Hampelmann entstehen.) Der Künstler müsse die Bewegung
auf eine Handlung, ein bestimmtes Ziel beschränken Dies habe Donatello