QUELLEN-ANGABEN.
251
Regionen. Anfangs verlangt er von der Kunst, sie solle Seele und Geist
eines Menschen darstellen, plötzlich: sie solle übermenschliche Ge-
danken ausdrücken. Wie kann ein Mensch übermenschliche Ge-
danken hegen. Wir geben zu, ein Mensch kann von religiösen, über-
schwanglichen Gefühlen erfüllt sein; aber es sind immer irdische, mit Fleisch
und Blut zusammenhängende Affecte, die sich auch sinnlich im Gesicht aus-
drücken und künstlerisch darstellbar sind. Aber unter dem übermensch-
lichen Gedanken versteht Bocchi nicht den Alfect selbst, sondern einen Be-
griff, den der Künstler darstellen soll. Da die flgurenbildende Kunst aber
nur wirklich darstellen kann, was ihr die Natur zeigt, so muss sie, um Be-
griffe darzustellen, zur Allegorie, zum Mysticismus, zur Aetherisirungnnd
Verwaschung der Formen ihre Zuflucht nehmen, und verfällt in den kirch-
lichen, unwahren Idealismus, dessen Blüthen uns Gothik und Byzantinis-
mus zeigen.
Vom Costume (Ausdruck, Charakter) im Allgemeinen geht Bocchi
zum Costume speciell am S. Giorgio über.
Wie sehr realistisch die Auffassung von Ausdruck ist, von der
Bocchi ursprünglich ausgeht, sehen wir in folgendem Satze:
"Es muss viel darauf gesehen werden, dass der Ausdruck (costume) in
der Natur angemessen und natürlich sei, und nicht von anders woher ent-
lehnt; erst dann erfreut sie uns mit einer Süssigkeit, als 0b die Person, die
wir sahen, lebendig und bewegt wäre und zu uns spräche." (p. 123.)
Donatello, trotz der Schwierigkeiten des Steines meisselte nicht blos,
sondern malte gleichsam einen Ausdruck der Seelengrösse. Das „Malen"
braucht hier Bocchi blos als überschwangliche Phrase, ohne dabei zu
wissen, dass er an die in der That malerisch effectvolle Manier Donatello's
damit erinnert. (p. 124.)
Den Gedanken, dass Donatello im S. Giorgio heroische Seelen-
grösse ausdrücke, wiederholt Bocchi auf Seite 124, 125, 126-1'io wohl
zzomal in allen möglichen Tonarten, wobei er auch schon in das Gebiet der
bellezza (p. 125), nach der Definition, die er davon gibt, sowie der viva-
cita (p. 130) tlberschweift, so dass alles Folgende über diese Punkte eigent-
lich schon gesagt und überflüssig ist.
Unter bellezza versteht er nämlich (neben der Ausführung) Harmonie
der Theile untereinander. (p. x48.)
Schon p. 125 aber, unter der Rubrik costum e, sagt er: „er brachte
den grossherzigen Ausdruck des Gesichtes mit allen Theilen des Körpers in
Harmonie und verband und trennte die Theile mit unglaublicher Schön-
h cit. Unter vivacitä versteht er die Fähigkeit zu handeln (p. x38), und
diese drückt sich in der Bewegung aus. (p. 143.) Schon p. 130 sagt er aber
vom S. Georg: „Donatello zeigt uns mit einer mehr als menschlichen Be-
wegung den göttlichen und heroischen Charakter darin." Ausserdem
sehen wir hieraus, dass die Begriffe: costume und vivacitä, so pedantiSCh
sie Bocchi räumlich auch auseinanderhält und abgesondert bespricht, ihm
doch ziemlich ineinander Hiessen.