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QUELLEN-ANGABEN.
Sehen wir nun an der Hand des Bocchi, welche Begriffe dieser mit den
genannten drei Worten verbindet.
Zunächst Costume.
Dieses ist nach ihm:
I. Ausdruck, sowohl der momentanen Empfindung, als des dauern-
den Charakters (also rtäüog und 3131er; zugleich) (p. x14.) Derselbe präge sich
besonders im Gesicht aus. (p. x15.) .
Der Ausdruck sei. zwar nicht die verkörperte Seele selbst, die sich
in keinem Stoff darstellen lasst, aber ein Eindruck derselben auf das Kör-
perliche. Bocchi sagt nämlich: "Seele und Gedanke seien in der Weise
thätig, dass man, wie Petrarca sagt, mit Leichtigkeit das Herz auf der
Stirne lese." Auch in den übrigen Körpertheilen sprechen sich nach Bocchi
Seele und Geist aus, auch sie besitzen Ausdruck (costume),
Dieser Satz ist in dem folgenden eingehüllt:
"Oft kann es geschehen, dass, da sich die Gedanken bald in den
Körpertheilen und dessen Handlungen, bald in Worten, bald auf
der Stirn enthüllen, die Kundgebung derselben in einigen Theilen mangel-
haft sei, und dass der Ausdruck des Gesichts nicht den Worten, der des
Körpers nicht der Seele entspreche." Wir fügen hinzu, diese Widersprüche
sind nur scheinbar, da ein Individuum stets aus einem Gusse besteht, und
also seine Manifestationen für den tieferen Blick sich nicht widersprechen
können. Bocchi sagt: „Der Künstler trachte danach, dass die innere Kraft
aussen kenntlich werde, und füge desshalb aus eigenem Zuthun etwas hinzu,
wo im Antlitz kein Zeichen desselben sichtbar ist." Wir entgegnen, damit der
Künstler wahr und lebendig bleibe, kann er nicht in einen Kopf hinein ver-
legen, was er in der Natur nicht sieht. Nur muss er als Künstler mit seinem
einfacheren Material das Charakteristische betonen, was in der Natur auch
ist, aber nur dem feinen Künstlerauge, nicht dem Laien, unter anderen un-
bedeutenden Details sichtbar ist. Das Kunstwerk ist eine Vereinfachung und
Erklärung der Natur.
2. Bedeutet costume bei Bocchi: einzelner Charakterzug, insofern
er sagt, dass es Köpfe gebe, welche mehrere und sich widersprechende
costumi nebeneinander haben, als Ausdruck der verschiedenen sie bewegen-
den Gedanken.
Es gebe hohe, mittlere und niedere Menschen-Naturen. Der gute
Künstler dürfe nur die ersteren schildern. (p. 117.) Dieses ist eine sehr ein-
seitige, idealistische Anforderung an den Künstler, welche das Porträt und
viele nothwendige Charaktere der Geschichts- und Genrebilder ausschliessen
würde. Haben nicht auch niedere Naturen Ausdruck und liefern nicht auch
sie den Stoff zu künstlerischer Seelendarstellung? Die Künstler müssen
auf den Ausdruck (costume) der Sprache verzichten. (p. 120.)
In Bezug auf die Künstler seiner Zeit steigert Fr. Bocchi seine For-
derung und sagt, sie dürften sich nicht begnügen, das costume der Besten
auszudrücken, sondern übermenschliche und göttliche Gedanken.
(p. 121.) Hiemit verliert Bocchi plötzlich den gesunden Boden des einem D0-
natello angemessenen Realismus und versteigt sich in die transcendentalen