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TRACTAT DES M.
FRANCESCO BOCCHI etc.
unter so vielen Werken und Statuen nur diese hervor, die,
mehr als alle anderen, reich an Glanz und Schönheit ist. Wenn
aber unter so vielen Statuen, welche, theils wegen der Kunst-
fertigkeit, theils wegen des Gegenstandes, den Ruf der Schön-
heit erlangt haben, nur eben diese beachtenswerth und staunens-
werth erscheint, was anders, glauben wir, mag wohl die Ur-
sache davon sein, als die Harmonie aller Einzeltheile, und die
Eintracht beider Schönheitsgattungen, Etwas, das allgemein als
ebenso selten als schwer erreichbar erklärt wird? Indessen ist
darauf zu sehen, dass die Schönheit der Kunstfertigkeit sich
nicht in der Art zeige, dass die dabei gehabte Mühe, offen-
liegend, in Anderen fast mehr Langweile und Widerwillen, als
Anregung und Vergnügen erzeuge; denn nichts entspricht so
wenig unserem Geschmacke, als der allzu grosse Fleiss und
die allzu gesuchten Auschmückungen, wenn sie an Werken an-
gebracht werden, welche weiter nichts als die Natur nachahmen
sollten. Aus diesem Grunde pflegte Apelles, der gefeiertste
und hervorragendste Maler seiner Zeit, Jene zu tadeln, welche
einen zu grossen Aufwand an Studium zeigten, und welche bei
ihren Arbeiten mit neuen Bemühungen und stets erneuertem
Fleisse nie ein Ende machten. Wer nun erkennt nicht sogleich,
dass, obwohl beim heiligen GeorgFleiss und Kunstfertigkeit ausser-
ordentlich sind, sie dennoch nicht offenbar vorliegen, wohl aber
die höchste vom menschlichen Körper erreichbare Schönheit
vorbringen und mit anmuthigena Ebenmasse ein in allen seinen
Theilen geeinigtes, edles und perfectes Ganzes zeigen? Die ein-
zelnen Theile an der Figur dieses Gottesstreiters sind nicht
blos an und für sich anmuthsvoll und schön; sie scheinen
vielmehr auch in ihrer Wechselwirkung eine fast mehr als irdi-
sche Vollendung zu athmen, wobei die im Innern .jedes Be-
schauers erwachende Anerkennung noch dadurch erhöht wird,
dass Donatello es verschmähte, änssere Ornamente und über-
flüssiges Beiwerk an der Statue anzubringen. Da ausserdem
kluge Menschen gewohnt sind, ihr Augenmerk auf eine Haupt-
arbeit zu richten, und unter Ausserachtlassting anderer, wenn
auch lobenswertherWerke, nur jene eine zu fördern, so hat auch
unser Meister hier sein ganzes Talent und Studium zur Ver-
einbarung solcher Schönheit und Vollendung so comprimirt,