TRACTAT DES M.
FRANCESCO BOCCHI etc.
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wünschen könnte. Wie sehr nun diese Theile da einander er-
gänzen, und wie vortrefflich sie miteinander verbunden sind,
das wissen wohl die geistvollen, wenn auch im Urtheilen viel-
leicht zu scharfen und strengen Florentiner selbst, und nach-
dem eine so vollendete Schönheit sogar den Zweifel beseitigte,
dass hier auch blos eine kleine Spur von Fehler vor-
handen sei, vereinigen sich alle Stimmen, so oft das Werk
betrachtet wird, im Anpreisen desselben. . Je schärfer und
gerechter indessen die Einsicht Desjenigen ist, welcher die Be-
standtheile des heiligen Georg einzeln prüft, um somehr Schön-
heit und Vollendung wird sie daran entdecken. Wer wird aber
auch nicht erkennen, wie gross der Vorzug des Ebenrnasses
aller Gliedmassen sei, und dass Ohren, Nase, Augen, kurz der
ganze Kopf der Statue von Donatello entsprechend gestaltet
wurde, um uns einen jungen, tapferen Krieger vor Augen zu
führen? Dass Brust, Arme und Beine so edel und stattlich aus-
Eelen, dass man sogleich merkt, sie seien nicht blos der Natur,
sondern auch jener Natur und Schönheit nachgemacht, die man
so selten anzutreffen pflegt? Aus dieser sanften Harmonie und
wunderbaren Vereinbarung der einzelnen Theile entsteht eben
jenes Gesammt-Ganze, welches von verständigen Künstlern so
sehr in ihren Werken angestrebt wird. Gewiss bleibt es, nach
meinem Dafürhalten, dass eine solche vollendete Anordnung des
Einzelnen und des Ganzen mit Worten weder genügend dar-
gethan, noch genügend gepriesen werden könnte, obwohl es
sich von selbst zeigt, dass die Kunstgewandtheit, womit besagte
Anordnung mächtig durchgeführt ist, sich nicht nur durch leichte
Bewegung und natürliche Pose kundgibt, sondern selbst wie über-
natürliche Schönheit wirkt. . Ebenso können wir behaupten,
dass die Anordnung des heiligen Georg in allen Einzeltheilen
der von diesem neuen Daedalos geschaffenen Figur würdig der
grossen Lobsprüche sei, die der weise Philosoph solcher Kunst-
gewandtheit verlieh, sowie, dass weder die Länge der Zeit noch
das Walten der Zukunft eine derart leuchtende Schönheit
werde verdunkeln können. Viele behaupten, dass Malerei und
Bildhauerkunst heute einen Grad der Vollkommenheit erreicht
haben, dass eine noch weitere Steigerung kaum in der Mög-
lichkeit der Natur zu liegen scheine; und dennoch leuchtet