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TRA CTAT DES M.
FRANCESCO BOCCHI etc.
sagt, wie wir das an sehr vielen Werken der alten und der
neuen Kunst erblicken; während, wenn er nur die Schönheit
des Gegenstandes vor Augen hat, aber über die Hilfsmittel
der Kunst nicht verfügt, sein Werk weder sehr geschätzt, noch
sehr gelobt werden wird. Sonderbar ist nun dagegen die blosse
Kunstgewandtheit (während der Gegenstand selbst aller An-
muth entbehrt), welche man an den Figuren des Jacopo Pun-
tormo in der Kirche des heiligen Lorenz vortindet. Dieser
Künstler steht in seiner "Sündfltith" von jedwedem Verständ-
nisse des Gegenstandes so ferne, ja, ist sogar an und für sich
so formlos, dass seine Manier, obschon verdienstlich, nur gerin-
gen Geist verräth und, während er in diesem Werke offenbar
alle Anderen übertreffen wollte, nicht einmal damit jene Aner-
kennung errang, die ihm in der ersten Jugend fast gesichert
schien. Das Colorit ist hier süsslich, manierirt und derart
weich, dass es förmlich wie angehaucht aussieht; sehr anziehend
zwar und reizend an und für sich, aber auf einen ungeordne-
ten, in seinem Wesen zerfahrenen, dem Auge widerstrebenden
und in keinem Punkte entsprechenden Gegenstand verwendet.
Wie weit hätte es dieser Mann an Ehren bringen können, wenn
er so viel Fertigkeit mit Verständniss verbunden und die Kunst
mit Geist geübt hätte, wie es in seiner Jugend, unter so viel
Anerkennung Aller, geschah! Die Schönheit nun, welche mit-
telst des Einen und des Anderen hergestellt wird, ist wohl
ohne Zweifel auch jene, die nicht nur vor Allem vollendet und
ausgezeichnet heisst, sondern selbst zu Bewunderung und Stau-
nen hinreisst. Trifft sie der Künstler nicht factisch im mensch-
lichen Körper vor, so wird er sie in seinem Denken und Ver-
mögen ersinnen, wie sie sein sollte, und wie eine solche Donatello
mit hohem Kunstverständnisse in seinem Geiste ersann, als er
den heiligen Georg schuf. Ohne sich mit jener Schönheit und
mit jenen Formen zu begnügen, die er hie und da anderswo
vorfand, erdachte er in seinem hohen Sinne eine heroische
Schönheit, an Majestät und Vollkommenheit reich, wie sie eben
einem echten Streiter Christi zukommt; obwohl hiebei beide
Arten der Schönheit vertreten sind, so ist doch daran die eine
durch umfassende Vereinigung aller ihrer Bestandtheile derart
vor Allem ersichtlich, dass man diesfalls ein Mehreres nicht