Volltext: Donatello, seine Zeit und Schule

TRACTAT 
DES M. 
FRANCESCO BOCCHI etc. 
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Helena für das Volk von Croton zu malen hatte, that. Da 
diese von ganz wunderbarer und ausserordentlicher Schönheit 
auffallen musste, war der kluge Künstler überzeugt, dass er 
eine solche weder im Gedanken und noch weniger nach einem 
einzelnen noch so schönen menschlichen Körper mit seinen 
Farben herzustellen vermocht haben würde. Demzufolge er- 
langte er von der Behörde des Ortes, die schönsten Mädchen 
vorgeführt zu haben, aus deren grosser Zahl er dann ihrer fünf 
wählte, von welchen er die einzelnen Reize und Vorzüge ab- 
nahm und so mit malerischer Kunstfertigkeit zu einem Ganzen 
zusammenfügte, dass er eben jene höhere Naturschönheit er- 
reichte, von welcher gegenwärtig hier die Rede ist. Diese Schön- 
.heit also, die so selten ist, dass man sie im Laufe vieler Jahr- 
hunderte nur spärlich an einem einzigen Körper vorfand, be- 
steht, um von dem schon Gesagten abzusehen, in der Grösse, 
in der Anordnung, in der Reichhaltigkeit, was in dem Sinne 
zu verstehen ist, dass jene Eigenschaften im entsprechenden 
Masse und mit jenem natürlichen Wesen auftreten, welches an 
den Naturdingen ifiberhaupt wahrnehmbar ist. So darf, was 
schön ausfallen soll, nicht so gross sein, dass sich der Blick an 
ihm verirrt, noch auch so klein, dass es von der natürlichen 
Grösse der Sache selbst allzusehr abweiche.  . .  .  
Was ferner die Anordnung betrifft, so ermahnt und be- 
lehrt uns die Natur selbst, jene Theile richtig zu beurtheilcn, 
welche unanständig, verschroben und hässlich sind, und wirkt 
dahin, dass unser Gemüth es nicht verträgt, dass Solches aus- 
drücklich oder stillschweigend zugegeben, geschweige denn ge- 
priesen werde. .    . Endlich darf die Reichhaltigkeit der höheren 
Schönheit mit Rücksicht auf deren Bestandtheile keine grenzen- 
lose sein, wobei sich allerdings, was da in Betracht zu kommen 
habe, kaum aufzählen lässt, was eben der Grund ist, dass diese 
Schönheit beim menschlichen Körper und auch bei den Aus- 
kunftsmitteln der Kunst so selten und so anstaunenswerth er- 
scheint.   . . . Dabei muss bemerktwerden, dass die Schönheit bei 
Männern und Frauen nicht eine und dieselbe Sache zu sein 
scheint. In jedem Alter der Männer kommt nämlich eine ge- 
wisse Anmuth (grazia), eine gewisse Lieblichkeit (leggiadria), kurz 
Dasjenige zum Vorschein, was man mit einigem Rechte Schön-
	        
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