TRACTAT DES M.
FRANCESCO BOCCHI etc.
205
Trauben schwächer als die Furcht vor dem Kinde gewirkt
haben würde. Die Lebendigkeit und die wunderbar wirkende
Kraft aber, welche am heiligen Georg wahrnehmbar sind, er-
scheinen, obwohl die Wirkung der Sprache fehlt, weit be-
redter als sie es am Bilde des Zeuxis zu sein vermochten. Denn
die fast lebendigen, von der Kunstfertigkeit des seltenen Mei-
sters aus dem todten Marmor gearbeiteten Gliedmassen, so
reich an Kraft, Lebenswahrheit und Tüchtigkeit, wie sie sind,
athmen so viel Stärke, so viel Vollendung, so viel Macht, dass
ich kaum glaube, es werde dies je mit Worten ausgedrückt
werden können. Viele Schriftsteller haben sich dadurch rühm-
lich hervorgethan, weil sie es vermocht haben, mit grossem
Verständnisse und mit anmuthiger Schreibweise die Dinge so
darzustellen, dass sie wie gegenwärtig und wie handelnd er-
scheinen; meiner Meinung nach ist darin Niemand grösser als
Dante unter den Literaten, Niemand hervorragender, glück-
licher, bewunderungswürdiger als Donatello unter den Bild-
hauern gewesen, besonders durch die hohe bewegte Lebendig-
keit an der Statue des heiligen Georg, welche nicht als ein
Kunstwerk, wohl aber wie die Natur selbst; nicht wie eine
Menschen-Arbeit, wohl aber wie eine göttliche, nicht wie eine
Marmorstatue, wohl aber wie ein lebendiges und lebendig vor-
gehendes Ding wirkt. Hier bewegen sich die Beine, die Arme
sind gerüstet, der Kopf ist belebt; hier wirkt die ganze Ge-
stalt, und die Art dieser YNirltung spricht mittelst des Aus-
druckes von einem mächtigen, stolzen, erhabenen Geiste.
Weniger beachtenswerth sind jene Theile, welche der Leben-
digkeit entbehren; diese aber, obwohl jenen abgängig, verleiht
dennoch dem Ganzen eine Kraft und, sozusagen, eine Rührig-
keit, dass auch sie wie etwas ganz Anderes als harter und
roher Stein erscheinen. Sowie der Werth nur in der Wirkung
besteht und nur durch diese beachtenswerth wird, so liegt auch
die Vollkommenheit bei den hier in Rede stehenden Kunst-
werken blos im Ausdrucke des Lebens, und dürfen sie auch
einzig und allein nur wegen eines solchen gepriesen werden.
Wenn daher die Griechen und Römer so freigebig im Loben
ihrer Künstler waren; wenn sie so ausführlich von denselben,
als wir es eben lesen können, gesprochen haben, so dürfen wir