TRACTAT DES
FRANCESCO BOCCHI ctc.
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Lebendigkeit vermag und iWie sehr sie wirkt, denn Alles, was
die Declamation angeht, d. h. die entsprechende Verwendung
des Leibes und der Stimme, wird so hoch geschätzt, dass viele
Redner, wie Cicero bezeugt, deren Sprache SiCh zum Vortrage
weder rasch noch leicht fügte, schon durch gewinnende Er-
scheinung und durch Lebendigkeit des Tones die Palme der
Beredsamkeit davontrugen. Darum, als Demosthenes, welcher
Alles der Lebendigkeit zuschrieb, einst befragt wurde, welche
Eigenschaft beim Redner die erste sei, antwortete er: dass die
erste, die zweite und die dritte Eigenschaft in der entsprechen-
den Geschmeidigkeit der Person bestehe, und dass diese alles
Andere überragen müsse. Wer sieht auch thatsächlich nicht
ein, dass eine noch so edle, noch so ausgezeichnete Schönheit
ohne lebendigen Ausdruck werthlos sein, jene Bezeichnung so-
gar nicht einmal verdienen würde? S0 gross ist nämlich die
Zusammengehörigkeit, sozusagen die Verwandtschaft zwischen
Schönheit und Lebendigkeit, dass es gar nicht möglich scheint,
die eine von der andern getrennt denken zu können. Daher
sagt Sokrates im „Gastrnahle des Xenophon", dass die Schönheit
nur aus der lebendigen That entsteht und hervorgeht; und im
Plato liest man, dass Carmides ein mit so schönen und an-
muthigen Formen ausgestatteter Jüngling war, dass er Jeden,
der ihn ansah, zur Sympathie und Bewunderung anregte.
Trotzdem Waren es zunächst des Körpers edle und zarte Be-
weglichkeit und der anziehende Gang, was Jeden, der ihn beob-
achtete, zum Erstaunen, gleichsam wie über etwas noch nie
Gesehenes und auch nicht für möglich Erachtetes, brachte,
Einige Schriftsteller heben ausdrücklich hervor, dass jene Jüng-
linge, welche einst bei den öffentlichen Spielen in Griechenland
die Anderen besiegten, fast Alle sie auch an Schönheit über-
trafen, denn aus der Stat-tlichkeit der Person und aus dem
Ebenmasse der" Glieder entspriesst eben des Menschen Schön-
heit, und aus dieser dann wieder die Lebendigkeit, welche
ihrerseits hervorragende und gewinnende Handlungen erzeugt.
So kann man nach unserer Ansicht behaupten, dass ein, schlafen-
der Körper und anorganische Dinge des lebhaften Ausdruckes
bar sind; ferner, um die Sache näher zu beleuchten, dass,
nachdem die Thätigkeit, Welche ja aus der Seele entquillt,